Aus der HAZ vom 18. April 2016

Neuer Arbeitskreis des Ornithologischen Vereins (OVH) will sich nun für den Schutz der Feldhamster-Bestände in der Börde stark machen

In diesen Tagen krabbeln die Feldhamster wieder aus ihrem Bau. Doch über der Erde drohen den Nagern vielerlei Gefahren. Foto: dpa

In diesen Tagen krabbeln die Feldhamster wieder aus ihrem Bau. Doch über der Erde drohen den Nagern vielerlei Gefahren. Foto: dpa

Von Marita Zimmerhof

Hildesheim. Die fünf Hamster-Jungen hatten keine Chance. Tom und Jerry, zwei routinierte Mäusejäger, machten keinen Unterschied zwischen den ungeliebten Nagern und den streng geschützten Feldhamstern. Die ersten Ausflüge aus dem sicheren unterirdischen Bau waren bereits ihre letzten. Und die beiden Kater dürften nicht im geringsten verstanden haben, warum es für ihre Beute dieses Mal kein Lob von Frauchen gab, sondern nur bestürzte Blicke. Während vor 40 Jahren sogar noch staatliche Fangprämien für jeden erlegten Feldhamster ausgesetzt waren, sind die possierlichen Nager mit dem bunten Pelz inzwischen in ihrem Bestand bedroht.Nach dem Ende der Eiszeit waren ihre Vorfahren aus den Steppen Vorderasiens nach Westeuropa eingewandert. Doch schon im Südkreis, wo der schwere Lehm- und Lössboden von anderen, leichteren Böden abgelöst wird, sucht man den Hamster meist vergeblich. Und jenseits von Leine und Weser wird ihr Bestand mit jedem Kilometer weiter westwärts ebenfalls immer kärglicher.

Wie viele Tiere es heute noch in der Hildesheimer Börde gibt, weiß niemand. Deshalb hat Nina Lipecki vom Ornithologischen Verein zu Hildesheim (OVH)einen Arbeitskreis Feldhamsterschutz gegründet, der die Bestände, aber auch die Lebensbedingungen des „Wildtieres des Jahres 2016“ untersuchen will. Dabei lässt sich der scheue Einzelgänger gar nicht so leicht aufspüren: Den Winter verschläft er tief unter der Erde in seinem frostsicheren Bau, in dem es neben Wohn- und Vorratskammern sogar eine eigene Toilette gibt. Nur alle paar Tage wacht er auf und nascht ein wenig an seinen Vorräten. Und selbst jetzt, wenn die Hamster auf der Suche nach frischen Kräutern wieder an die Oberfläche kommen, sind die dämmerungs- und nachtaktiven Einzelgänger nur selten zu entdecken.

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Nina Lipecki will die bedrohten Bestände des Feldhamsters retten. Sie hat beim OVH einen Arbeitskreis gegründet und findet dafür Rückendeckung beim OVH Vorsitzenden Alistair Hill. Foto: Moras

„Zählen können wir nur die senkrechten Fallröhren, über die sich ein Hamster in seinen Bau plumpsen lässt“, sagt Nina Lipecki. Diese exakt kreisrunden Röhren sind deutlich größer als die von Mäusen, während Ratten ihre Röhren viel flacher ins Erdreich graben.

Der Naturschützerin aus Borsum geht es aber nicht allein um den Hamster: Sein Bestand ist auch ein Indikator für den ökologischen Wert des gesamten Habitats. Einst wurden die wertvollen Bördeböden genutzt, um Lebensmittel zu produzieren. Zugegeben: Von dem reifen Getreide verschwanden einige Kilogramm als Wintervorrat im Hamsterbau. Heute aber wird zunehmend Biomasse produziert, die nur noch der Energiegewinnung dient. Doch selbst wenn Weizen, Gerste und Zuckerrüben heranwachsen, sind die Felder so zügig und effektiv abgeerntet, dass dem Hamster keine Zeit bleibt, einen ausreichend großen Wintervorrat anzulegen. Mehr als ein, zwei Kilogramm Körnerfutter werde in den Bauen heute gar nicht mehr entdeckt, sagt Hill und räumt mit der Mär auf, dass Feldhamster Getreide gleich zentnerweise bunkerten.

Nur Tage oder Stunden nach der Ernte können die Stoppelfelder schon wieder umgepflügt werden, die aufgebrochene Scholle aber bietet den vierbeinigen Bördebewohnern weder Nahrung noch Deckung. Den Sommer über ernähren sich die Hamster zumeist von Wildkräutern und deren Samen, ab und zu darf es auch mal ein Regenwurm oder Insekt sein. Doch in dem Maße, wie die artenreichen Ackerrandstreifen verschwinden, wird auch dem Hamster das Überleben schwer gemacht.

In den Monokulturen wird er selbst schnell zur Beute für Greifvögel und Uhus, Katzen, Füchse und Marder. Das Schicksal teilt er übrigens mit vielen anderen Bewohnern der Agrarsteppe: Die Bestände von Wachteln, Fasanen, Lärchen und Kiebitzen gehen ebenfalls immer weiter zurück. Auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten steht der Feldhamster inzwischen ganz weit oben. Die meisten Menschen kennen Feldhamster heute nur noch, wenn sie überfahren am Straßenrand liegen und wegen ihres auffallend mehrfarbigen Fells selbst im Vorbeifahren von anderen pelzigen Unfallopfern gut zu unterscheiden sind.

Gelegentlich machen Feldhamster schon mal kuriose Schlagzeilen, weil sich ihretwegen der Bau von Möbelhäusern oder Umgehungsstraßen verzögert, bis die Tiere mehr oder weniger erfolgreich eingefangen und umgesiedelt worden sind. Lipecki kann sich nur wundern, warum sich die Planer nicht schon vorher informiert haben.

Für die Feldhamster-Schützerin ist es vielmehr entscheidend, gemeinsam mit den Landwirten die letzten verbliebenen natürlichen Bestände zu erhalten. „Wir können nicht gegen die Landwirte arbeiten, sondern nur mit ihnen zusammen etwas erreichen.“ Wenn die Bauern ihre Böden nicht mehr tief pflügten, sondern nur grubberten, wenn sie die Stoppelfelder etwas länger stehen ließen und an den Feldrändern ein Nahrungsstreifen unangetastet bleibe, sei den bunten kleinen Pelztieren – und all den anderen gefährdeten Arten im Feld – bereits geholfen.Für die Landwirte gibt es dafür übrigens EU-Ausgleichsgelder. Für Hill aber ist der liebenswerte kleine Feldhamster längst das „Leittier der Börde“. „Hier konnte er in seiner Bedeutung genau das, was der Panda für den WWF, World Wide Fund For Nature, ist.“

Wer sich im OVH-Feldhamsterschutz engagieren will, ist bei der Arbeitsgruppensitzung willkommen. Sie beginnt am Mittwoch, 20. April, 19 Uhr, im OVH-Vereinsraum, Louise-Wippern-Ring 31 in Hildesheim.

Anmeldungen bei Nina Lipecki, Telefon: 0 51 27 / 90 36 47, oder per E-Mail an:
lipecki@feldhamster.de.

© Hildesheimer Allgemeine Zeitung