Neue Daten zeigen:  ehemals häufiger Wiesenvogel hat um 88 Prozent abgenommen

Noch vor etwa 30 Jahren sah und hörte man den Kiebitz fast überall auf Deutschlands Feldern. Doch neue Daten zeigen: Seit 1992 ist der Bestand dieser Charakterart unserer Agrarlandschaft um 88 Prozent eingebrochen, wie der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) mitteilte.

„Dem Kiebitz geht es noch deutlich schlechter als bislang befürchtet. Er teilt sein Schicksal mit Feldlerche, Rebhuhn und Co., deren Populationen sich ebenfalls in rasantem Sinkflug befinden“, sagte Christoph Sudfeldt, Geschäftsführer des DDA anlässlich einer Veranstaltung zur künftigen EU-Agrarpolitik in der Landesvertretung Schleswig-Holsteins in Berlin.
Gemeinsam diskutierten der NABU, die Staatssekretärin im schleswig-holsteinischen Landwirtschafts- und Umweltministerium Anke Erdmann sowie Vertreterinnen und Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums und des Deutschen Bauernverbands, wie die EU-Agrarpolitik umgestaltet werden muss, um den massiven Artenverlust auf Wiesen und Feldern zu stoppen. Derzeit laufen in Brüssel die Verhandlungen zu dem mit Abstand größten Posten des EU-Haushalts. Rund 60 Milliarden Euro vergibt die EU jedes Jahr an Agrarsubventionen, 114 Euro fließen pro EU-Bürger an Steuergeldern in den Agrarhaushalt. Bislang werden diese Gelder fast ausschließlich nach Flächenbesitz vergeben – ungeachtet dessen, ob auf den Wiesen und Feldern umweltverträglich gearbeitet wird oder nicht.

Fünf Jahre lang erprobte der NABU gemeinsam mit Landwirten, wie Kiebitze besser geschützt werden können. Als besonders erfolgreich erwiesen sich „Kiebitzinseln“. Diese kurzzeitigen Brachen innerhalb von Äckern ermöglichten es den Tieren und vielen weiteren bedrohten Vogelarten erfolgreich zu brüten. Auch das Markieren von Nestern trug dazu bei, die Vögel bei der Feldbearbeitung erfolgreich zu umfahren. Im Grünland rät der NABU zudem dazu, Flächen zu vernässen. Das Projekt wurde im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt umgesetzt.

Für den Schutz von Wiesenvögeln gibt es viele funktionierende Ansätze. Doch die besten Maßnahmen nützen nichts, wenn sie nicht auch entsprechend finanziert und umgesetzt werden. Die EU-Agrarpolitik muss jetzt grundlegend naturverträglicher werden. Sie muss Landwirte für ihren Schutz von Umwelt, Natur, Klima und Biodiversität besser entlohnen. Andernfalls droht der Kiebitz hierzulande bald auszusterben“, mahnte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Er forderte, im künftigen EU-Haushalt 15 Milliarden Euro für jene Landwirte zu reservieren, die Naturschutzmaßnahmen umsetzen. Aus diesem Fonds könnten etwa die erfolgreich erprobten Kiebitzinseln finanziert werden.

Zudem müssten künftig die Naturschutzverwaltungen bei der Ausgestaltung der Naturschutzförderung federführend sein. Nur so würden Steuergelder optimal für die Natur eingesetzt, sagte der NABU-Präsident. Zugleich müssten umweltschädliche Subventionen abgeschafft und klare, EU-weite Umweltstandards definiert werden, um den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft zu ermöglichen. Andernfalls drohten künftig milliardenschwere Blankoschecks an die Mitgliedstaaten verteilt zu werden – und damit ein Rennen um die niedrigsten Umweltstandards.

„Der markante Ruf des Kiebitzes ist auch bei uns in Schleswig-Holstein leider viel zu selten zu hören. Unser Ziel ist es, die Voraussetzungen für eine gesunde Kiebitzpopulation zu verbessern und die Zahl der Tiere nicht nur in den Schutzgebieten, sondern auch auf unseren Wiesen und Feldern zu vergrößern. Dazu müssen wir die gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten sowie den Naturschutzverbänden entwickelten Schutzmaßnahmen weiter intensivieren und vorantreiben und so einen wichtigen Beitrag für die Artenvielfalt im Norden leisten“, ergänzte Anke Erdmann, Staatssekretärin im schleswig-holsteinischen Landwirtschafts- und Umweltministerium.

Quelle: NABU-Pressemitteilung (27.11.2018)

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