Aus der HAZ am 13.11.2024

Von Joscha Röhrkasse

Der Wolf lebt seit 2011 wieder in Niedersachsen. In diesem Jahr mehren sich die Angriffe auf Nutztiere. Die Herde einer Schäferei aus dem Landkreis Hildesheim ist in nur vier Wochen drei Mal von einem Rudel attackiert worden. Für den Familienbetrieb bedeutet das nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden. Die psychische Belastung wächst – auch aufgrund von Anfeindungen im Internet. Das Land fördert den Herdenschutz zwar mit Millionensummen. Aber reicht das?Die Wölfe kamen bei Nacht, ein mindestens zehnköpfiges Rudel, wie Aufnahmen zeigen. Sie müssen über den Zaun gesprungen sein, jedenfalls deutete nichts daraufhin, dass sie sich unten durchgegraben haben, und als am Morgen des 29. Oktobers der erste Mensch auf die Weide kam, stand der Zaun noch so wie am Vortag, unversehrt. So berichtet es Wanderschäferin Petra Bokelmann aus Rössing. Es waren ihre und die Schafe ihres Mannes Christof Bokelmann, die in jener Nacht auf dem alten Truppenübungsplatz zwischen Scheppau und Schandelah in den Landkreisen Helmstedt und Wolfenbüttel dem Wolfsangriff zum Opfer fielen. „Das war der dritte Riss in vier Wochen“, berichtet Bokelmann. Die Schäferei, seit Generationen in Familienhand, sei bislang vom Wolf verschont geblieben. „Aber dieses Jahr ist es richtig schlimm geworden.“ Bei dem Riss vor zwei Wochen ging man zunächst noch von 23 verendeten und 26 vermissten Schafen aus. Inzwischen ist klar, dass 32 Tiere tot sind und 29 verletzt. Weitere 28 werden immer noch vermisst.

Es seien grausige Szenen gewesen, die sich ihr und den ehrenamtlichen Helfern an den Tagen nach den Wolfsrissen geboten hätten, sagt Bokelmann. Ein Schaf hätten die Wölfe in einen Dornenbusch getrieben. „Und offenbar sind die immer wieder zu ihm zurückgekehrt, um es anzufressen. Jedenfalls lebte es noch, als wir es gefunden haben.“ Kein Einzelfall, wie Bokelmann sagt. Etliche Schafe seien so zugerichtet gewesen, dass sie der Tierarzt habe einschläfern müssen. „Wenn man diese zugerichteten Tiere ansieht, die einen flehentlich ansehen, als wollten sie sagen, jetzt erlöst mich endlich – das vergisst man nicht.“

Anfeindungen im Internet und auf offener Straße
Die Herde der Schäferei Bokelmann umfasst 500 Mutterschafe und deren Lämmer. „Die sind so lange wie möglich draußen.“ Nur zur Ablammzeit im Januar kämen sie in den Stall, im Frühjahr zurück auf die Weide. „Ein Schaf das ganze Jahr über im Stall zu halten, finde ich nicht artgerecht. Die müssen doch raus, in die Sonne, auf die Weide“, sagt Bokelmann. Weil die Weiden in der Region um Rössing schnell abgegrast sind, bringt die Wanderschäferei ihre Herde jedes Jahr in die Landkreise Wolfenbüttel und Helmstedt. Zum Ende der Weidesaison wird die Herde getrennt. „Und dann ziehen wir mit zwei Herden zu Fuß nach Hause.“ So hat es schon der Vater von Christof Bokelmann gemacht, und so sollte es künftig auch der Sohn der Familie, Jakob Bokelmann, machen. „Eigentlich war geplant, dass er den Betrieb übernimmt“, sagt Petra Bokelmann. „Aber jetzt ist er so geschockt von den Wolfsrissen, dass wir uns wirklich überlegen müssen, ob das noch so weitergehen kann.“ Ihr Mann habe bereits gesagt: „Noch ein Übergriff, dann ist Feierabend.“

Die psychische Belastung für die Schäferfamilie aus Rössing ist seit den Wolfsrissen groß. „Man kann es ja nicht ertragen, immer Angst haben zu müssen, wenn man abends nach Hause fährt“, sagt Petra Bokelmann. Angst um die Schafe, die mehr als nur Existenzgrundlage sind. „Manche haben wir ja selbst mit der Flasche großgezogen.“ Angst aber auch vor weiteren Anfeindungen. „Es ist unglaublich, was man sich anhören muss: Wir würden unsere Schafe nicht genug schützen, und wir wären Tierquäler“, berichtet Bokelmann. So etwas lese sie in den Sozialen Medien, wo über die Vorfälle der vergangenen Wochen berichtet und diskutiert wurde. „Wenn man da was sagt, kriegt man gleich Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen.“ Das Telefon stehe seit dem letzten Wolfsriss nicht mehr still, sagt Bokelmann weiter. „Und ständig sind irgendwelche Leute da. Die klingeln, kommen zu den Schafen oder zum Stall.“ Es seien auch manche darunter, die nur ihr Mitgefühl ausdrücken wollten. Aber viele kämen, um über den Wolf zu diskutieren.

Und natürlich kommen auch Anfragen der Presse. Der Wolf stößt in der Bevölkerung, gerade dort, wo er nun zunehmend gesichtet wird, auf großes Interesse. Das Thema polarisiert. Zu einem Infoabend in Boimstorf, einem Ortsteil der Stadt Königslutter im Landkreis Helmstedt, kamen vorige Woche rund 160, teils sehr besorgte, Bürgerinnen und Bürger. Ursprünglich sollte dort der Braunschweiger Wolfsberater Andreas Hofmann einen Vortrag halten. Er war bei dem Riss vor zwei Wochen einer der ersten Helfer auf der Weide, hielt, gemeinsam mit Familie Bokelmann, einigen Landwirten und Jägern aus der Region in der Nacht darauf Wache, wehrte dabei nach eigener Aussage weitere Wolfsangriffe ab.

Offene Fragen nach dem Rücktritt eines Wolfsberaters
Wolfsberater Hofmann äußerte sich in den Tagen darauf auch gegenüber der HAZ und weiteren Pressehäusern, berichtete, was er mit eigenen Augen gesehen hatte; von den verletzten Schafen, den Spuren des Wolfsrisses, dem intakten Zaun. Doch als sich die HAZ am Montag vergangener Woche wegen diverser Rückfragen zum Thema erneut bei Hofmann meldete, teilte er mit, er dürfe sich nicht mehr gegenüber der Presse äußern. Einen Tag später verschwand sein Name aus der Liste der mehr als 100 Wolfsberaterinnen und Wolfsberater des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturzschutz (NLWKN). Bei Hofmann nachgefragt, bestätigte er seinen Rücktritt. Es habe ein Gespräch mit der Behörde gegeben, zum Inhalt dürfe er sich aber nicht äußern. „Dass Wolfsberaterinnen und -berater ihr Amt wieder ab- oder aufgeben, ist nicht ungewöhnlich“, teilt auf Nachfrage Matthias Eichler, stellvertretender Pressesprecher des Umweltministeriums Niedersachsen mit. Insbesondere um Persönlichkeitsrechte zu schützen, könne er im konkreten Fall nichts sagen.

Laut Behördenseite sollen die NLWKN-Wolfsberaterinnen und Wolfsberater allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern mit Rat und Tat ehrenamtlich zur Verfügung stehen. „Wir machen Öffentlichkeitsarbeit, halten Vorträge, nehmen Wild- und Haustierrisse auf“, erklärte Hofmann der HAZ vor seinem Rücktritt. Letzterer wirft indes Fragen auf. Warum legt jemand, der seinem Ehrenamt so engagiert nachgeht, noch an dem Tag, an dem er eigentlich einen Vortrag halten will, sein Amt nieder? Worum ging es in dem Gespräch mit der Behörde? Und warum darf sich Hofmann dazu und zu seinen Gründen der Amtsaufgabe nicht äußern? Den Vortrag in Boimstorf hielt letztlich ein anderer NLWKN-Wolfsberater. Vielleicht wäre es nicht Hofmanns primäre Aufgabe gewesen, der Presse Auskünfte zu erteilen. Ein Kompetenzbruch? Wer auf der NLWKN-Website auf den Reiter „Presseanfragen zum Thema Wolf“ klickt, landet jedenfalls bei der Pressestelle des Niedersächsischen Umweltministeriums. Dabei hat das NLWKN, das dem Ministerium untergeordnet ist, eigentlich eine eigene Pressestelle.

Der Wolf, so der Eindruck, ist dem Land ein wichtiges Thema. Wohl nicht zuletzt, weil es dabei um Geld geht. „Das Land fördert den Herdenschutz, wolfsabweisende Zäune und Herdenschutzhunde mit Millionensummen“, sagt Ministeriumssprecher Eichler. „Die Haushaltsmittel, die in den Jahren 2024 und 2025 für den Herdenschutz verausgabt werden können, betragen mit mindestens 8,9 Millionen Euro mehr als jemals zuvor.“ Hinzukommen die sogenannten Billigkeitsleistungen; wenn Schafe, Ziegen oder Gatterwild nachweislich vom Wolf getötet werden, können die Tierhalter vom Land Schadensersatz verlangen. „Im vergangenen Jahr wurden gut 242.000 Euro an Billigkeitsleistungen ausgezahlt, im laufenden Jahr waren es bis zum 31. Oktober knapp 136.000 Euro“, berichtet Wolfgang Ehrecke, Sprecher der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, wo sich seit 2020 mehrere Fachleute um die Bearbeitung entsprechender Anträge kümmern.

Gehören Wolfsrisse nicht zum unternehmerischen Risiko?
Warum kommt der Staat dafür auf? Gehört ein Wolfsriss nicht zum unternehmerischen Risiko eines Weidetierhalters? „Das stimmt, wir sind grundsätzlich für unsere Tiere verantwortlich“, sagt Joachim Rehse, Vorsitzender des Landesschafzuchtverbandes Niedersachsen. „Wir haben bislang aber auch die Tiere so eingezäunt, dass sie zu keiner öffentlichen Gefahr werden konnten.“ Etwa, indem sie ausbüchsen und auf eine Verkehrsstraße laufen. Zudem leisteten Schafe wichtige Beiträge für die Gesellschaft. „An den Küsten befestigen sie die Deiche, im Landinneren tragen sie zur Artenvielfalt auf den Wiesen bei“, erklärt Rehse. Dass sich der Wolf in Deutschland wieder ansiedele, sei gesellschaftlich gewollt, doch der damit verbundene intensivere Herdenschutz sei sehr teuer. „Es kann nicht sein, dass die Tierhalter allein dafür aufkommen müssen.“

Schadensersatz für ein vom Wolf gerissenes Nutztier gibt es indes nur, wenn bestimmte Herdenschutzmaßnahmen erfüllt worden sind. In Niedersachsen braucht es dafür Elektronetze oder elektrisch geladene Fünf-Litzen-Zäune. Empfohlen ist dabei zwar eine Höhe von 100 oder 120 Zentimetern, der Mindestschutz ist aber laut NLWKN schon ab 90 Zentimetern gegeben. „Wir haben die wolfabweisenden 1,05 Meter hohen Zäune mit Stromlitze und Verbissschutz“, sagt die Rössinger Schäferin Bokelmann. Doch egal, ob 90 oder 120 Zentimeter – können Wölfe da nicht sowieso drüber springen? „Doch, Wölfe können rein körperlich gesehen auch 120 Zentimeter überspringen“, sagt Marie Neuwald, Referentin Wölfe und Beweidung beim Nabu. „Dass die reine Höhe des Zauns nicht der ausschlaggebende Faktor ist, sieht man zum Beispiel auch an überwundenen Festzäunen von Wildgehegen, die mindestens 180 Zentimeter hoch sein müssen“, sagt Neuwald weiter.

Wichtiger als die Höhe sei, dass der Zaun elektrifiziert sei. „Sind Zäune das nicht, kann ein Wolf diese auch in Ruhe überklettern.“ Generell würden es Wölfe aber bevorzugen, Zäune zu untergraben. Daher sei es wichtig, die unterste stromführende Litze in etwa 20 Zentimetern Höhe zu installieren – so werde der Versuch des Untergrabens mit einem Schmerzimpuls quittiert. „Normalerweise kommt ein Wolf nach dieser Erfahrung nicht als nächstes auf die Idee: Gut, dann springe ich mal über das schmerzhafte Ding.“ Im Fall der Schäferei Bokelmann offenbar schon. Das kann laut Neuwald daran liegen, dass das Rudel an schlecht oder gar nicht elektrifizierten Zäunen gelernt hat, darüber zu springen. Weil sie im Sprung nicht geerdet seien, bekämen sie in der Luft auch keinen Schlag. „Es ist daher wichtig, keine Übungsstätten für Wölfe zu bieten, wie es etwa die Zäune gegen die Afrikanische Schweinepest aber leider tun.“

Der Nabu wirbt auf seiner Internetseite dafür, dem Wolf zu helfen, bietet zu diesem Zweck sogenannte Wolfspatenschaften an. Das bedeute nicht, für einen konkreten Wolf zu spenden, erklärt Neuwald. „Wir setzen uns für den Schutz freilebender Wölfe ein, führen aber keine konkreten Pflegemaßnahmen durch.“ Eine Patenschaft im Nabu sei eine Spende für einen konkreten Zweck. Finanziert würden damit Informationsmaterial, Broschüren und Personal, das sich für den Artenschutz in Deutschland einsetzt. „Sorgen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass der Wolf in Deutschland wieder sicher leben kann“, heißt es auf der Internetseite. Aber kann er das aktuell nicht eh schon? Seit dem Mauerfall kehren Wölfe aus Osteuropa zurück nach Deutschland. Anfang der Nullerjahre sind seit der Ausrottung die ersten Welpen auf deutschem Territorium geboren worden. Seit 2011 ist der Wolf dem Umweltministerium zufolge auch wieder in Niedersachsen vertreten. Seither sei die Anzahl der nachgewiesenen Wolfsterritorien kontinuierlich gestiegen, sagt Ministeriumssprecher Eichler. „Mittlerweile gilt Niedersachsen mit 61 Wolfsterritorien als eines der wolfreichsten Bundesländer.“ Stand 14. August gab es hier 56 Rudel, drei Paare und zwei Einzelwölfe.

Laut International Union for Conservation of Nature (IUCN) befindet sich der Wolf in Europa bereits seit 2007 nicht mehr auf der Roten Liste bedrohter Tierarten (least concern). Auf europäischer Ebene gilt der Wolf aber weiterhin als streng geschützt. Das absichtliche Stören, Fangen oder Töten sowie weitere Beeinträchtigungen von Wölfen sind laut Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union verboten. Vor dem Hintergrund einer Zunahme von Wolfsrissen führte Anfang des Jahres jedoch Niedersachsen als erstes Bundesland das sogenannte Schnellabschussverfahren für Wölfe ein. Mehren sich in einem bestimmten Gebiet die Risse von Nutztieren, kann dort seither für 21 Tage die Ausnahmeerlaubnis erteilt werden, jeden Wolf zu erschießen, der sich in einem Umkreis von 1.000 Metern um die betroffene Weide aufhält.

Verband kritisiert die neuen Regeln zum Schnellabschuss
Zuvor konnten nur klar identifizierte einzelne Wölfe zum Abschuss freigegeben werden, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten oder wiederholt dieselbe Herde angegriffen haben. In der Region Hannover war im vorigen Jahr eine solche Genehmigung erteilt, jedoch der falsche Wolf, eine Fähe statt einem Rüden, erschossen worden. Mehrere Tierschutzorganisationen stellten anschließend Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover. Mit der neuen Regelung wäre das nicht mehr ohne Weiteres möglich. Allerdings ist nach dem neuen Schnellabschussverfahren in Niedersachsen bislang auch noch kein Wolf erlegt worden. Das liegt laut Schafzüchter Rehse daran, dass die neue Regel noch nicht praxistauglich ist. Bislang seien alle Anträge von Gerichten kassiert worden, weil die sogenannte Entnahme, also das Töten von Wölfen, das letzte Mittel sei, das erst erlaubt werde, wenn alle übrigen Herdenschutzmaßnahmen erschöpft seien. Das Problem: „Wenn die Schafe bei der Flucht vor den Wölfen den Zaun umreißen, gilt der Herdenschutz im Ministerium als eingeschränkt.“ Damit sei das Schnellentnahmeverfahren schonmal nicht mehr möglich. „Dass das aufgrund des Wolfsangriffs passiert ist, wird dabei nicht berücksichtigt.“

Im Landkreis Wolfenbüttel gab es laut Kreissprecher Andree Wilhelm bislang kein Schnellabschussverfahren. Im  Landkreis Helmstedt, wo 2023 noch sechs und in diesem Jahr bereits 56 vom Wolf getötete Nutztiere zu verzeichnen sind, ist laut Kreissprecher Sebastian Dettmer bislang auch noch keines beantragt worden. Tun könne das grundsätzlich jeder betroffene Tierhalter, sagt Dettmer weiter. Allerdings müsse der Antrag sehr fundiert und mit allen notwendigen Begründungen und Nachweisen unterlegt sein, damit er entscheidungsfähig sei. Das Thema treibt die Kommunalpolitik im Landkreis Helmstedt um. Im Oktober war Landrat Gerhard Radeck einem Beschluss des Kreisausschusses gefolgt, und hatte mit Nachdruck von der Bundesregierung gefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, den Schutzstatus des Wolfes herabzusetzen.

Braucht eine Tierart Schutz, die nicht mehr als bedroht gilt?
Solche Bestrebungen dürften genau das sein, was Tierschutzorganisationen wie der Nabu mit ihrer Arbeit zu verhindern suchen. „Dass eine Art nicht oder nicht mehr akut vom Aussterben bedroht ist, bedeutet nicht, dass damit aller Schutz wegfallen kann oder sollte“, betont Referentin Neuwald. Wölfe fänden in Deutschland gute Lebensgrundlagen. „Was ihn bedrohen könnte, ist fehlende Akzeptanz seitens des Menschen“, so Neuwald. Jedes Jahr würden illegal getötete Wölfe gefunden, sagt sie. In Niedersachsen waren es im vergangenen Jahr vier, im laufenden bislang zwei illegal getötete Wölfe. Um die Akzeptanz für den Wolf zu erhöhen, will der Nabu Konfliktherde in der Koexistenz identifizieren und an Lösungen arbeiten. „Hier ist vor allem die Unterstützung der Weidetierhaltung beim Herdenschutz notwendig, da Risse an (meist ungeschützten) Weidetieren der größte Konfliktpunkt sind“, so Neuwald.

Mehr Unterstützung fordert auch der Landesschafzuchtverband Niedersachsen. „Wenn es Wölfe gibt, die es trotz verbesserten Herdenschutzes schaffen, diesen zu überwinden, dann muss der Staat auch gewillt sein, diese Wölfe zu entnehmen“, sagt Vorsitzender Rehse und betont im nächsten Atemzug: „Wir haben ja nur ganz wenige Rudel, die richtig viel Ärger machen.“ Solche Problemwölfe für den Abschuss freizugeben, bereitet aus Rehses Sicht dem Artenschutz keinen Schaden.
Petra Bokelmann hat unterdessen einen Brief an das Umweltministerium geschrieben, um auf ihre wachsenden Sorgen hinzuweisen. Mit der HAZ zu reden, bereitet ihr Unbehagen, weil sie weitere Anfeindungen befürchtet. Aber da der Wolf aktuell den Fortbestand ihres Familienbetriebs bedroht, hat sie sich trotzdem dazu durchgerungen. „Wir sind ja auch nicht prinzipiell gegen den Wolf“, sagt Bokelmann. „Das sind tolle und faszinierende Tiere, keine Frage. Aber wo es zu viel ist, ist es zu viel.“
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