Ornithologischer Verein ruft zum Artenbestimmungs-Wettbewerb auf / Mitmachen mit kostenloser App
Alistair Hill beszimmt mit dem Handy eine Pfanzenart. Foto Werner Mierzowksy
Region Hildesheim liegt derzeit bundesweit auf Platz 24 aus 407
Naturbeobachten geht einfacher denn je, und gleichzeitig kann man dabei etwas für den Artenschutz tun. Das Handy reicht dafür. Und eine App. Schon kann man bei der Bioblitz-Aktion mitmachen. Die kommt jedenfalls in der Region Hildesheim ziemlich gut bei vielen Menschen an. Deutschlandweit liegt der Landkreis Hildesheim immerhin auf Platz 24 von 407 Landkreisen. Und es ist erst gut die erste Halbzeit um.Neugierige Augen richten sich auf Petra Pahl vom Ornithologischen Verein zu Hildesheim (OvH). Die Gruppe steht am Eingang zum Liebesgrund, schräg gegenüber der Arneken Galerie. Alle haben ihr Handy griffbereit. Sie sind bereit zur Jagd auf Pflanzen, vor allem unbekannte oder seltene Arten, und auf Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten. Pahl muss ihnen nur noch zeigen, wie der Bioblitz funktioniert.
Alle müssen die kostenfreie Bestimmungs-App obsIdentity aus dem Internet herunterladen, dann könnte es eigentlich schon losgehen. Doch es gibt für den Artenschutzwettbewerb ein paar feste Regeln. Während eines Kalenderjahres kann man für seinen Landkreis eine Artenvielfalt nachweisen. Bei Pflanzen zählen aber keine klassischen Gartenpflanzen, schränkt Pahl gleich ein. Also raus in die Natur.
Und man muss der App erlauben, Fotos zu speichern sowie den Standort über GPS zu ermitteln. Sonst funktioniert die Bioblitz-Aktion nicht. Denn bei der werden die Daten gesammelt und noch einmal mit Naturexpertenaugen auf Korrektheit kontrolliert. Die GPS-Angaben sind wichtig, damit es nicht zu Doppelungen kommen kann, außerdem gleicht die App ab, ob das Vorkommen einer Pflanzen- oder Tierart für die Region und Jahreszeit plausibel ist.
„Die App lernt dazu“, sagt Pahl und gibt endlich das Startsignal für die kleine Gruppe von zehn Teilnehmern. Eigentlich hat sie mit mehr jungen Leuten gerechnet. Heute sind es eher Rentner und ja, eigene Mitglieder des Vereines, so wie Alistair Hill, der eigentlich eher der Vogelexperte ist, sich heute aber mit Pflanzen und Käfern befassen will. Vögel mit dem Handy zu fotografieren ist außerdem nicht so einfach. Dafür braucht man eher eine Kamera mit Teleobjektiv wie es Benedikt Scharfenberg mitgebracht hat. Der 32-Jährige ist heute der mit Abstand jüngste Teilnehmer. Hat aber schon mit neun Jahren angefangen, Vögel zu beobachten.
„Ich habe eine kleinblütige Braunelle gefunden“, ruft eine Teilnehmerin. Das ist eine heimische Wildpflanze, die zur Blume des Jahres 2023 gekürt worden ist. Walter Koch versucht derweil, eine im Netz und im Wind zappelnde Spinne mit dem Handy zu fotografieren und lässt sich dabei von Scharfenberg gleich ein paar Tricks erzählen. Hill untersucht derweil einen Pilzbefall auf einem Spitzahornblatt. „Miniermotte“, urteilt er nachdem die App ihm ihre Diagnose gemeldet hat.
Eine Teilnehmerin rümpft die Nase: „Das haben doch nur Kastanien.“ Sie tippt auf Runzelschorf, was ihr ebenfalls das Handy mitteilt. „Manche Angaben sind eindeutig, andere werden als wahrscheinlich mit Prozenten angegeben“, sagt Pahl. Man muss mehrere Fotos machen, verschiedene Ansichten, damit die Bestimmungsapp mehr Sicherheit bieten kann. „Aber das trainiert man dann ja auch.“
Jedenfalls sind die Teilnehmer kaum zu halten. Sie schwärmen aus. Hill hat gerade einen Roten Weichkäfer identifiziert, eine Teilnehmerin ruft, sie habe ein Ferkelkraut entdeckt. „Den Namen haben Sie gerade erfunden“, behauptet Pahl. Nix da, kontert die Frau: „Ferkelkraut ist eine Heilpflanze, sie ist gut bei Verdauungsbeschwerden.“ Und ähnelt ein bisschen dem Löwenzahn.
Die Zeit vergeht wie im Fluge, ob Gartenkreuzspinne, einfacher Klee oder der Versuche, eine Vogelfeder zuzuordnen – den Teilnehmern fällt immer wieder eine neue Herausforderung ein, der sie auf den Grund gehen wollen. Pahl schaut dem Treiben freudig zu. Ziel erreicht. Je mehr Menschen sie dafür begeistern kann, beim Bioblitz dabei zu sein, umso besser. Für die Platzierung des Landkreises, aber auch für die Bestimmung der Artenvielfalt und vor allem dafür, immer mehr Menschen zu besseren Kennern der Natur zu machen. „Allein damit haben wir schon gewonnen.“
2022 hat die Aktion begonnen und mehr als 20 000 Menschen begeistert. Pahl kann sich vorstellen, nach den Sommerferien auch mal mit einer Schule den Versuch zu starten, wie die Aktion bei Jüngeren ankommt. Eins ist jedenfalls bei denen sicher: Den Umgang mit dem Handy beherrschen die im Schlaf.
© Hidesheimer Allgemeine Zeitung 23.08.2023