Neues vom DDA 20.02.2025

Diese Waldflächen im Harz sind durch ein Mosaik unterschiedlicher Habitate gekennzeichnet, die durch Waldstörungen entstanden sind: Freiflächen mit einer ausgeprägten Kraut- und Strauchschicht wechseln sich mit stehendem Totholz und störungsfreien Waldbereichen ab. Durch wiederkehrende Störungen und unterschiedliche Entwicklungsstadien entsteht ein heterogenes Waldbild mit Lebensräumen für verschiedene Arten. © Anne Graser17.02.2025. Stürme, Borkenkäferbefall, Waldbrände oder Holzernte: Die Liste der natürlichen und vom Menschen verursachten Störungen im Lebensraum Wald ist lang. Wie sich diese Veränderungen auf die biologische Vielfalt und auf einzelne Vogelarten auswirken, wurde bisher jedoch nicht auf nationaler Ebene für langjährige Bestandstrends untersucht. Die neue Studie eines Forscher*innen-Teams der Uni Göttingen nutzt jetzt deutschlandweite langjährige Monitoringdaten des DDA, um diese Forschungslücke zu adressieren. Das Ergebnis: Einige Vogelarten profitieren von den Veränderungen, während andere wichtige Lebensräume verlieren.

„In unserer Studie haben wir einen innovativen Ansatz gewählt: Wir haben aus einer deutschlandweiten fernerkundungs-basierten Karte zu Waldstörungen die Lücken im Kronendach, daher abgestorbene Waldflächen ausgelesen. Diese Informationen dienten als Grundlage zur Modellierung von Daten des Monitorings häufiger Brutvögel (MhB) für die Jahre 2005 bis 2019 mit insgesamt 153.014 Revieren im Wald“, erklärt Anne Graser, korrespondierende Autorin der Studie und Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Waldstörungen und Biodiversität. „So konnten wir eine Beziehung zwischen der Häufigkeit von Vögeln und Lücken im Kronendach herstellen. Die Daten des DDA waren dabei essentiell. Denn nur mit diesen Daten konnten wir deutschlandweite und langjährige Trends in Abhängigkeit von Waldstörungen ermitteln und dadurch aussagekräftige Erkenntnisse gewinnen.“

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Arten sehr unterschiedlich auf diese Veränderungen reagieren. Die Forscher*innen unterschieden zwischen jungen Lücken im Kronendach, die erst vor kurzem entstanden waren. Und älteren Lücken, bei denen die Wiederbewaldung nach Störung (Sekundärsukzession) bereits eingesetzt hat.

Für jüngere Bestandslücken stellten sie einen negativen Einfluss auf den Trend von Vogelarten, die ihren Hauptlebensraum im Wald haben und Kurzstreckenziehern fest. Auch Arten wie Heckenbraunelle, Zilpzalp, Winter- und Sommergoldhähnchen, Zaunkönig und Tannenmeise waren negativ von jungen Bestandslücken beeinflusst. Positiv wirkten sich die Bestandslücken dagegen unter anderem auf Heidelerche, Baumpieper und Kohlmeise aus. Ältere Lücken im Kronendach wirkten sich dagegen positiv auf den Trend von in Sträuchern brütenden Arten und Kurzstreckenziehern aus. Heckenbraunelle, Gartengrasmücke, Winter- und Sommergoldhähnchen und Zilpzalp wurden positiv und Baumpieper und Waldlaubsänger dagegen negativ von älteren Bestandslücken beeinflusst.

„In jungen Bestandslücken finden Arten wie die Heckbraunelle oder der Zaunkönig möglicherweise zu wenige geeignete Strukturen zur Brut, während zum Beispiel der Baumpieper oder die Heidelerche von einer Auflichtung und Freiflächen im Wald profitieren können“, so Anne Graser. „Durch die bereits eingesetzte Sekundärszkzession in älteren Bestandslücken entstehen geeignete Habitate für die in Sträuchern brütenden Arten. Arten wie der Baumpieper können diese Bestandslücken bereits nicht mehr nutzen. Es ist davon auszugehen, dass diese bereits eine zu dichte Vegetation aufweisen“

Hintergrund

Der Lebensraum Wald unterliegt momentan starken Veränderung und wird sich auch in Zukunft weiter verändern: Studien zeigen, dass durch eine Zunahme an Waldstörungen der Wald offener und lichter wird. Bis heute überwiegt der Anteil an geschlossenen und „dunklen“ Wäldern mit einem geringen Angebot an frühen und späten Waldsukzessionsstadien. Diese „dunklen“ Wälder gehen nun durch Waldstörungen zugunsten von v.a. frühen Waldentwicklungsstadien zurück. Die Gründe für eine Zunahme der Waldstörungen und das Überangebot von geschlossenen „dunklen“ Wäldern liegen in der historischen Aufforstung mit standortfremden Baumarten, in der Förderung von Monokulturen, aber auch beim Klimawandel, der diese Veränderungen auch in Zukunft noch weiter verstärken wird. Der Klimawandel führt zu trockeneren Sommern und höheren Temperaturen, wodurch die Vitalität der Waldbestände abnimmt. Gleichzeitig begünstigen höhere Temperaturen Borkenkäfer und der Einfluss natürlicher Störungen nimmt zu.

Dank dieser Studie und der Datenerhebung des DDA können wir die Reaktionen einzelner Arten und Artengruppen und deren Bestandstrends in Bezug auf Waldstörungen besser verstehen. Dieses Wissen sollte bei der Entwicklung von Schutzmaßnahmen und innerhalb der Artenschutzprogramme berücksichtigt werden, um auch zukünftige Veränderungen der Waldlebensräume durch eine Zunahme von Waldstörungen miteinzubeziehen.

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