Stadt muss Naturschutzgebiet sichern – Grundsatzdebatte in der Politik
Aus der HAZ vom 14. Juni 2025

Von Rainer Breda
Auf dem Weg zu einer Bebauung des Wasserkamps ist die nächste Etappe vollzogen: Der Stadtentwicklungsausschuss hat mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen, die Unterlagen für die Änderung des Flächennutzungsplanes auszulegen – das ist nötig, damit aus dem Ackerland ein Wohngebiet entstehen kann.
Bürger können die zusammen über 1300 Seiten starken Papiere demnächst im Rathaus und im Internet für sieben Wochen einsehen und sich dazu äußern. Der Tagesordnungspunkt geriet einmal mehr zur Grundsatzdebatte über die Siedlung. CDU und SPD stellten sich hinter die Pläne. Dagegen übten mehrere Grüne, Hamun Hirbod (PARTEI) sowie die Naturschutzverbände BUND und OVH Kritik.Diese entzündeten sich unter anderem an den Ergebnissen der so genannten FFH-Vorprüfung: Die drei Buchstaben stehen für „Flora-Fauna-Habitat“, das Gelände westlich des geplanten Baugebietes zur Innerste hin fällt in diese Kategorie und genießt deshalb einen besonderen Schutz. So müssen nach den Vorgaben der EU „erhebliche Beeinträchtigungen“ für den Bereich durch das Wohngebiet ausgeschlossen sein. Doch das ist laut FFH-Vorprüfung für einige Punkte nicht garantiert. So könnten sich die Versiegelungen negativ auf den Trocken- und Magerrasen am Innerste-Hang auswirken, zudem streunende Katzen und Hunde sowie die Zunahme von Spaziergängern Folgen für die geschützte Tier- und Pflanzenwelt direkt neben der Siedlung haben.

Die Stadt ist allerdings zuversichtlich, dies durch bestimmte Maßnahmen zu verhindern, betonte Planungsamtschefin Sandra Brouër im Ausschuss. Wie das genau geschehen soll, werde die bereits gestartete „FFH-Vollprüfung“ ergeben – deren Ergebnisse und die daraus folgenden konkreten Gegenmaßnahmen würden dann im Bebauungsplan festgeschrieben. Der legt fest, was baulich in der neuen Siedlung geschehen darf. Doch so weit sei die Stadt noch nicht, betonte Brouër.
Das müsste sie aber, fanden BUND-Kreisvorsitzender Matthias Köhler und OVH-Vertreterin Doris Schupp: Nach derzeitigem Stand seien die Wasserkamp-Pläne naturschutzrechtlich unzulässig, erklärten beide unisono. Schupp äußerte zudem Zweifel an Brouërs Zuversicht, Beeinträchtigungen durch Katzen oder Hunde vollends auszuschließen.

Die Planungschefin wies die Einwände zurück: Man dürfe die verschiedenen Ebenen zwischen dem Flächennutzungsplan und dem Bebauungsplan nicht vermischen; erst in diesem müsse verbindlich stehen, wie die Stadt vorgehen wolle. Sie sei Beamtin, betonte Brouër: „Sie können davon ausgehen, dass wir uns als geltendes Recht halten.“ Im Übrigen sei die Verwaltung überzeugt, alle Bedenken in Sachen FFH-Verträglichkeit „zu erledigen“ – andernfalls hätte sie den Politikern den Beschluss, die Änderung des Flächennutzungsplanes jetzt auszulegen, gar nicht erst vorgelegt.
Warum die SPD-Fraktion nach wie vor hinter der Siedlung steht – anders als ihre Gruppenpartner Grüne und die PARTEI – , hatte zuvor Sozialdemokrat Marcus Krettek erklärt: Auf dem Wasserkamp sei es am einfachsten, den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Sozialdemokraten achteten gleichwohl darauf, dass ihr 25-Punkte-Forderungskatalog (der unter anderem einen bestimmten Anteil an Sozialwohnungen enthält) erfüllt werde und die Wirtschaftlichkeit des Baugebietes garantiert sei.

Das gilt auch für die CDU, wie deren Fraktionschef Dennis Münter unterstrich. Aus seiner Sicht geht es ohnehin nur noch um Details: „Der Rat hat den Wasserkamp beschlossen“, es gebe angesichts der Kosten von mehreren Millionen Euro und anderer Vorleistungen kein Zurück.
Dem widersprach Grünen-Co-Fraktionschefin Tinka Dittrich. Sie schürte massive Zweifel an der Wirtschaftlichkeit, zudem seien längst nicht alle SPD-Forderungen erfüllt – darunter jene in Sachen Verkehrsanbindung. Kritik kam auch von Dittrichs Parteifreund Norbert Frischen: Der Ortsbürgermeister der Marienburger Höhe forderte, das Verkehrsgutachten müsse aktualisiert werden – es sei acht Jahre alt und gehe außerdem von 600 statt der nun geplanten 800 Bewohnern aus.

© Hildesheimer Allgemeine Zeitung