Presseinformation Sep. 2015

In den letzten Jahren ist die Bördelandschaft um die Gemeinden Harsum, Hoheneggelsen und Schellerten zum prominenten Exkursionsziel für Ornithologen geworden. Im Spätsommer und zum Herbstanfang finden sich hier zahlreiche Vogelkundler aus allen Teilen der Bundesrepublik ein. Der Raum hat sich zu einem der wichtigsten Brutgebiete einer besonderen Gruppe von Greifvögeln entwickelt. Seit vielen Jahren schon brüten Rohrweihen vor allem im Wintergetreide. Diese Art war ursprünglich an Flussauen und Teichlandschaften mit dichtem Schilfbestand gebunden und hat sich als gefährdeter Bodenbrüter erfolgreich an den Kulturlandschaftswandel angepasst. In jüngerer Zeit hat sich auch die weitaus seltenere Wiesenweihe als ständiger Brutvogel in der Börde etabliert. In diesem Jahr haben zehn Paare Wiesenweihen im Kreis Hildesheim und dem angrenzenden Gebiet des Kreises Peine erfolgreich gebrütet. Mehr als 20 Jungvögel sind flügge geworden. Das Gebiet repräsentiert damit einen bedeutenden Schwerpunkt des Vorkommens in Deutschland. Experten des Ornithologischen Vereins zu Hildesheim haben die Entwicklung in der Börde mit kräftige Unterstützung weitere Ornithologen aus den angrenzenden Kreisen genau verfolgt und dokumentiert.

In den letzten Wochen ließen sich in großer Zahl alte und junge Rohr- und Wiesenweihen sowie andere Greifvogelarten auf den abgeernteten Feldern gut beobachten. Dementsprechend wuchs auch der Zustrom interessierter Vogelkundler an.  Die Weihen sind durch ihren charakteristischen Segelflug auch für geschulte Laien zu erkennen. Sie streichen als elegante Flieger zur Nahrungssuche kreuz und quer zumeist dicht über den Boden, um insbesondere Mäuse oder andere Kleinsäuger zu erspähen.

Zu den besonderen ornithologischen Raritäten zählt die Steppenweihe, die seit etwa 10 Jahren vereinzelt in der Börde beobachtet wird. Mitte September sind mindestens 5 Steppenweihen zu sehen gewesen. Darunter sind Männchen, Weibchen und Jungvogel dabei. Die Heimat dieser Mäusejäger liegt eigentlich in Russland. Eine Brut in unserem Raum erscheint möglich, wurde aber bisher nicht nachgewiesen. Zusammen mit der Kornweihe, die in Deutschland lediglich im Bereich der Nord- und Ostseeküste brütet, bei uns aber regelmäßig als nordischer Durchzügler und Wintergast vorkommt, besteht in der Börde zurzeit die außerordentlich seltene Gelegenheit, alle vier europäischen Weihen-Arten zu sehen.  Außer den Weihen sind auch Greifvögel wie Rotmiian, Schwarzmilan, Turmfalken, Baum- und Wanderfalken in größerer Zahl anzutreffen. Besonders die Turmfalken haben in diesem Jahr gute Bruterfolge gehabt. Wanderfalken brüteten nicht nur am Andreaskirchturm, sondern auch an vier weiteren Plätzen im Börderaum und konnten mehrere  Jungvögel aufziehen. Als Leckerbissen für den Vogelkundler ist   der Rotfussfalke, ganze Familien dieser kleine Steppenbewöhner halten sich seit Wochen in der Börde auf. Der hübsche Rotfußfalke, ist vor allem Insektenjäger, aber verschmäht auch Mäuse nicht.

Das außergewöhnlich starke Auftreten von Greifvögeln im östlichen Landkreis wirft viele Fragen zu Ökologie und Artenreichtum der Börde auf. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine höchst intensiv genutzte, monotone Agrarlandschaft in einem dicht besiedelten Raum. Viele Ortschaften liegen kaum zwei Kilometer voneinander entfernt. Aus anderer Perspektive bietet die Börde mit den prägenden Weizen- und Gerstefeldern das Bild einer offenen, steppenartigen Landschaft. Wälder liegen weit abseits, und es gibt kaum Hecken oder kleine Gehölze. Das kontinentale Klima begünstigt die Lebensbedingungen der Greifvögel.  Von großer Bedeutung ist aber auch, dass in diesem Teil der Börde keine Stromleitungen und Windparks existieren, die gerade für Großvögel zur schwerwiegenden Bedrohung werden.

Zu würdigen ist, dass auch Landwirte wichtige Beiträge zur Artenvielfalt in diesen Baum- und Heckenarmen Gegend leisten. Gifte zur Bekämpfung von Mäusen werden hier moderat oder gar nicht verwendet; die gerade auch für Weihen, Falken oder Milane ökologisch wertvollen Wegränder erst spät gemäht. Einige Landwirte beteiligen sich maßgeblich am Schutz der Weihen, indem sie Nistplätze, die in ihren Getreidefeldern liegen, bei Erntearbeiten absichern. Einige dürfte der neuartige Zustrom von Vogelkundlern aus ganz Deutschland verärgern, weil die Fahrverbote in der Feldmark zum Teil ignoriert werden. Der Ornithologische Verein zu Hildesheim dankt den Landwirten für ihr Engagement und ruft die politischen Entscheidungsträger dazu auf, sich für die Erhaltung der besonderen Artenvielfalt und den Schutz der außergewöhnlichen Greifvogelvorkommen in der Hildesheimer Börde.

A. Hill, J. Laufer