Spannende Erkenntnisse zum Zugverhalten von Schlangenadlern

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Zugrouten des besenderten Schlangenadlers „Egidio &.dquo; vom Herbst 2013 bis Frühjahr 2016. Trotz Heimat im Süden Italiens wählte dieser Vogel bereits ab dem ersten Wegzug den Umweg über Frankreich und Spanien ins afrikanische Winterquartier.
© parcogallipolicognato.it

Vom Großteil der europäischen Schlangenadler ist bekannt, dass sie in einem relativ schmalen Gürtel in der Sahelzone südlich der Sahara überwintern. Italien beheimatet mehrere hundert Brutpaare des Schlangenadlers, dennoch wird die Art auf dem Durchzug an der Straße von Messina, einem Konzentrationspunkt des Vogelzugs über das zentrale Mittelmeer, nur in geringer Zahl festgestellt. Bereits Ende der 1990er Jahre wurde daher die Hypothese aufgestellt, dass auch italienische Schlangenadler Afrika über Frankreich und die Iberische Halbinsel erreichen.

Um dieser Vermutung auf den Grund zu gehen, wurden in den Jahren 2010 bis 2013 insgesamt sieben junge Schlangenadler im Süden Italiens mit GPS-Sendern ausgestattet. Von diesen Vögeln nutzten fünf tatsächlich die mit einem großen Umweg verbundene Route entlang der nördlichen Mittelmeerküste, um die Meerenge von Gibraltar für die Querung zu nutzen.

Schlangenadler sind mit ihren breiten Flügeln ausgezeichnete Thermikflieger, die Überquerung größerer Wasserflächen ist für sie hingegen mit einem hohen Energieverlust verbunden. Die Querung des Mittelmeeres scheint eine derart große Hürde darzustellen, dass die Vögel den enormen Umweg am Nordrand des Mittelmeers auf sich nehmen. An der Straße von Gibraltar ist lediglich eine Strecke von 14 Kilometern über Wasser zurückzulegen, während die geringste Entfernung in der Straße von Sizilien rund 150 Kilometer umfasst. Der größte Teil der italienischen Schlangenadler verlässt Italien demnach Mitte September offenbar nach Norden, um die westliche Vogelzugroute nach Afrika zu nutzen. Sie bewegen sich damit entgegen aller anderen Zugvogelarten der Nordhemisphäre und fliegen im Herbst nach Norden bzw. im Frühjahr nach Süden.

Die übrigen beiden besenderten Schlangenadler schlugen eine südliche Route ein und versuchten offenbar über die Insel Marettimo vor der Westküste Siziliens nach Afrika zu kommen. Schließlich überwinterten beide Vögel jedoch in Sizilien und damit rund 3000 Kilometer nördlich ihrer Verwandten. Im anschließenden Frühjahr und Sommer wanderten die Vögel ins südliche Italien zurück, wo einer leider der beiden der illegalen Vogeljagd zum Opfer fiel. Der andere Schlangenadler zog im folgenden Herbst über Frankreich bis nach Südspanien, nutzte also eine komplett andere Route in Richtung anderer Überwinterungsgebiete. Leider wurde auch er auf der Iberischen Halbinsel illegal geschossen.

Beobachtungen zahlreicher Jungvögel in gemischten Trupps mit Altvögeln lassen vermuten, dass unerfahrene Schlangenadler die günstigste Zugroute von älteren Individuen erlernen. Anhand von Beobachtungen nimmt man jedoch an, dass rund 20% der juvenilen Schlangenadler der italienischen Population dies nicht im ersten Kalenderjahr lernen. Ob es sich dabei vor allem um spät geschlüpfte oder Vögel vom Rand der Verbreitung handelt, die Schwierigkeiten somit Schwierigkeiten haben „Anschluss“ zu finden, ist bislang nicht erforscht. Interessant ist aber, dass auch in Griechenland Schlangenadler der Brutvögel am Peloponnes anfangs nordostwärts über den Bosporus ziehen, anstatt das Meer direkt nach Süden zu überqueren.
Weitere Informationen

BOU-News, 12.9.2016
Mellone et al. 2016: Individual variation in orientation promotes a 3000-km latitudinal change in wintering grounds in a long-distance migratory raptor. Ibis, 158: 887–893. doi:10.1111/ibi.12401