Neuestes vom DDA 20. Sep. 2016
Aufgrund klimatischer und anthropogener Veränderungen haben es Wiesenweihen im Winterquartier in der Sahelzone immer schwerer ausreichend Nahrung zu finden
Millionen afro-paläarktischer Zugvögel nutzen zur Überwinterung die Sahelzone, einen semi-ariden Gürtel südlich der Sahara. Hier kam es in den letzten Jahrzehnten allerdings zu weitreichenden ökologischen Veränderungen, die es für die Vögel immer schwieriger werden lassen, eine ausreichende Kondition für den kräftezehrenden Heimzug aufzubauen. Trotz der weitreichenden Folgen für viele europäische Brutvögel existieren bislang nur wenige empirische Untersuchungen zu den ökologischen Bedingungen und ihren Auswirkungen auf die Vogelwelt.
Eine typische in der Sahelzone überwinternde Art ist die Wiesenweihe. Etwa die Hälfte des Jahres verbringen die Vögel in ihren Winterquartieren. Im Laufe dieser Monate bewegen sich die Weihen schrittweihe gen Süden und nutzen dabei zahlreiche unterschiedliche Gebiete, die auch über Jahre immer wieder aufgesucht werden. Zum Ende des Winters halten sich die Wiesenweihen am südlichen Rand der Sahelzone auf, wo sie mangels Ausweichmöglichkeiten auch bei ungünstigen Bedingungen verbleiben.
Im Rahmen einer Studie niederländischer und französischer Wissenschaftler wurden insgesamt 36 Wiesenweihen mit GPS-Sendern ausgestattet, um ihr Verhalten und die Habitatnutzung während des Winterhalbjahres studieren zu können. Darüber hinaus wurden Daten zur Häufigkeit von Heuschrecken, der Hauptnahrung der Weihen während des Winters, im Senegal gesammelt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden im Fachmagazin Journal of Animal Ecology veröffentlicht und sind frei zugänglich.
Da das Angebot an Heuschrecken positiv mit den Werten des Vegatationsindex NDVI (normalized difference vegetation index) korrelierte, wurde dieser in Bereichen ohne direkte Datenerhebung als Maß für die Nahrungsverfügbarkeit genutzt. Insgesamt kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass das Angebot an Nahrung (Heuschrecken-Erfassungen sowie Vegetationsindex) im Laufe des Winterhalbjahrs kontinuierlich abnahm. Auf diese Veränderungen reagierten die Wiesenweihen mit einer verlängerten Flugzeit in der zweiten Hälfte des Winters. In Bereichen mit stark sinkenden NDVI-Werten nahm die fliegend verbrachte Zeit stärker zu. Dies lässt vermuten, dass die Weihen längere Zeit mit der Nahrungssuche verbringen mussten, um ihren Energiebedarf zu decken. Wies das letzte im Winter aufgesuchte Gebiet einen niedrigen NDVI-Wert auf, so verzögerte sich der Beginn des Heimzugs dieser Vögel, was zu einer verspäteten Ankunft im Brutgebiet führte.
Insbesondere die zweite Winterhälfte scheint demnach für die in der Sahelzone überwinternden Zugvögel eine kritische Phase darzustellen. Sind die Vögel in dieser Zeit ungünstigen Bedingungen ausgeliefert, so wirken sich diese auch auf die nachfolgende Brutzeit aus. Fortschreitende klimatische Veränderungen mit geringeren Niederschlägen und starke Landnutzungsveränderungen führen in der Sahelzone zu zunehmender Wüstenbildung. Der negative Effekt auf afro-paläarktische Zugvögel dürfte sich demnach kontinuierlich verstärken.
Weitere Informationen
Schlaich et al. 2016: How individual Montagu′s Harriers cope with Moreau′s Paradox during the Sahelian winter. J Anim Ecol. doi:10.1111/1365-2656.12583© Mathias Schäf