Aus der HAZ vom 16. Feb. 2017
Landkreis will umstrittenes Projekt zwischen Rössing und Klein Escherde ablehnen /Grünen-Abgeordnete übt scharfe Kritik am Nein zum Börde-Windpark
von Tarek Abu Ahjamieh Rössing/Klein Escherde. Der geplante Windpark in der Feldmark zwischen Rössing und Klein Escherde,n der die Politik in der Gemeinde Nordstemmen ebenso spaltet wie die Bürgerschaft, steht vor dem Aus. Der Landkreis Hildesheim hat jetzt angekündigt, den Bauantrag des Investors ablehnen zu wollen. „Das haben wir dem Unternehmen so mitgeteilt, es hat jetzt noch einmal Gelegenheit, Argumente vorzutragen“, erklärte Kreis-Umweltdezernent Helfried Basse am Dienstagabend in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Kreistages.Die Chancen des potenziellen Investors, den Landkreis als Genehmigungsbehörde noch umzustimmen, dürften allerdings gering sein.Sonst hätte sich Basse kaum in einer öffentlichen Sitzung so weit aus dem Fenster gelernt. Als Begründung für das absehbare Nein zu dem Projekt führte er „Aspekte der Bauordnung“ an, ohne allerdings ins Detail zu gehen. Es wäre die zweite Ablehnung eines lange geplanten, vor Ort allerdings umstrittenen Windparks binnen weniger Wochen. Erst kurz vor Silvester 2016 hatte die Kreisverwaltung den Bauantrag für den geplanten Windpark zwischen Harsum und Schellerten abgelehnt (diese Zeitung berichtete). Begründung dabei: massive Bedenken verschiedener Denkmalschutzbehörden von der Stadt über das Land Niedersachsen bis hin zum Institut Icomos, das solche Vorhaben aus Sicht der Unesco-Welterbestätten betrachtet. Um die ging es zwar nicht – wohl aber darum, dass große, sich drehende Windräder direkt hinter dem Andreasturm den Blick von diesem bedeutenden Bauwerk ablenken würden – jedenfalls vom offiziellen Aussichtspunkt auf dem Panoramaweg aus.
Auf den Denkmalschutz hatte unter anderem auch die Bürgerinitiative gegen den Windpark zwischen Rössing und Klein Escherde gesetzt – unter anderem mit Blick auf die Marienburg. Doch bei der sich abzeichnenden Ablehnung des Windparks durch den Landkreis spielt dieser Aspekt offenbar keine wichtige Rolle. Das Vorhaben sorgt in der Gemeinde Nordstemmen seit Jahren für viel Aufregung. Besonders deutlich wurde die Zerrissenheit bei einer Ratssitzung am 27. Oktober. „Man wird unter Druck gesetzt, es ist eine schwierige Situation für jeden einzelnen von uns“, sagte Bürgermeister Norbert Pallentin damals.
Mit 13 gegen elf Stimmen votierte der Rat seinerzeit für einen Abstand von 800 Metern zur Wohnbebauung und dafür, die Windräder nicht auf einer möglichst kleinen Fläche zu bündeln, sondern eher zu verteilen. Ein Beschluss, der nun wohl obsolet ist. Unterdessen übte die Grünen- Kreistagsabgeordnete Nina Lipecki aus Borsum in der Ausschuss-Sitzung heftige Kritik an der Entscheidung der Kreisverwaltung gegen den Windpark zwischen Harsum und Schellerten: „Das kann ichnicht nachvollziehen. Denkmalschutz ist ein weiches Kriterium, da wird der Investor natürlich klagen und vor Gericht gewinnen!“ Basse konterte, er sei davon überzeugt, rechtlich richtig gehandelt zu haben: „Wir konnten nach unserer Überzeugung nicht anders, haben uns sogar juristisch beraten lassen.“ Im Moment läuft ein Widerspruch des Investors, der für den Fall eines erneuten Scheiterns in der Tat eine Klage angekündigt hat.
Kommemtar von Tarek Abu Ajamieh Landkreis schürt Unruhe
Erneut will der Landkreis einen Windpark ablehnen, der in einem Gebiet geplant ist, das in seinemsogenannten Raumordnungsprogramm für Windkraft ausgewiesen war. Das wirft Fragen auf: Was ist das Raumordnungsprogramm des Landkreises in Sachen Windkraft wirklich wert? Und damit jener Aspekt des Papiers, der die Öffentlichkeit mit Abstand am meisten interessierte?
Weit weniger als erhofft jedenfalls, und das kann weder Befürwortern noch Gegnern von Windparks gefallen. Unter Verweis auf vage Vorgaben des Landes, wie viel Fläche für Windkraft der Kreis bereitstellen müsse, hat er in einem jahrelangen, teuren und arbeitsintensiven Prozess die sogenannten Vorranggebiete festgelegt. Folge: Vielerorts bildeten sich Bürgerinitiativen gegen die Verspargelung, zugleich starteten Investoren mit Planungen und Grundstücksverhandlungen.
Nun zeigt sich schon zum zweiten Mal, dass zumindest aus Sicht des Landkreises in seinen eigenen „Vorranggebieten“geplante Windparks gar nicht zulässig sind. Und zwar mit gravierenden Begründungen. Nimmt man an, dass diese korrekt sind, bleibt der Schluss: Vorher hat der Kreis nicht sorgfältig genug geprüft – denn aufsolche wesentlichen Bedenken hätte er auch vorher schon kommen können.
Die Folge: Entweder der Landkreis muss sich nun neue Vorranggebiete suchen – was für weitere Unruhe sorgen würde. Oder er hat vorher viel mehr Flächen ausgewiesen, als er musste – und damit unnötig Verwirrung gestiftet. Beides wäre ärgerlich und unnötig.
© Hildesheimer Allgemeine Zeitung
Anmerkung (AH)
In der Kommentar wird noch einmal demonstriert, dass man ganz schnell von der Hüfte schießt. Der ROP des Landkreis Hildesheim beinhaltet die Ausweisung von sogenannten Vorzugsflächen. Der Raumordnungsplan stellt keine Genehmigung dar. Alle Genehmigungsabläufe müssen möglichen Investoren noch durchlaufen. Alle Untersuchungen im Rahmen des BimSH, Umweltverträglichkeit, Baugenehmigung usw. stehen noch aus. Das Risiko einer Ablehnung trägt der Investor wie bei allen wir Investitionsvorhaben in der Wirtschaft allein. Leider hatte keiner, weder Befürworter noch Gegner bei der Bearbeitung des RROP an dem Denkmalschutz gedacht. Üblicherweise spielen die ästhetische Aspekte überhaupt keine Rolle bei der Planung der Windparks oder andere Maßnahmen im Rahmen der Energiewende. Artenschutz würde bei der Eine oder der Andere Maßnahme berücksichtigt. Da haben OVH und NABU kleine erfolge erlebt. Leider würde aber in mehreren Fällen die Artenschutz zuerst nicht berücksichtigt, wie z.B. in Escherde/Rössing. Es wird ein guten Tag sein wann der dort geplanten Windpark tatsächlich beerdigt wird. Es wäre ein Sieg der Vernunft.