In diesem Jahr schreiten besonders viele Schwarzstörche über Felder und durch Auen / Gutes Nahrungsangebot durch regenreichen Sommer
Aus der HAZ vom 26.08.2017
Von Andrea Hempen
Luttrum/Holle. Er ist eher der zurückhaltende Typ, nicht so forsch wie der weiße Verwandte, dem sogar nachgesagt wird, er würde Menschenkinder ausliefern. Der Schwarzstorch ist selten zu sehen. Aber es gibt ihn. Und das stellt er in diesem Jahr eindrucksvoll unter Beweis. „Schuld“ daran ist das Wetter. Der viele Regen, der die Menschen nervt, ist ihm eine Freude. Denn so findet er nicht nur in Flussauen, sondern auch auf Feldern in der Börde ein breitgefächertes Nahrungsangebot. Derzeit sind die schwarzen Störche in Holle und auch in Luttrum, nahe des Moores, zu sehen.Als der Luttrumer Uli Zobel am Montag mit seinem Hund spazieren geht, entdeckt er ihn. Ein Schwarzstorch stolziert über einen Acker am Dorfrand. Zobel zückt sein Handy, schießt ein Dutzend Fotos von dem seltenen Gast. „Ich vermute, es war ein Jungvogel. Ihm fehlte noch die typische Rotfärbung an Beinen und Schnabel“, berichtet Uli Zobel. Seine Entdeckung meldete der Mann dem Ornithologischen Verein zu Hildesheim (OVH). Nicht die erste Meldung dieser Art in 2017.
Insgesamt notierte der OVH bisher schon 200 Meldungen von Schwarzstörchen. Im vergangenen, sehr trockenen Jahr wurden insgesamt 106 Tiere Meldungen gemacht. Anmerkung Hill hierzu: die Anzahl der Individuen liegt weit niedriger als die Anzahl der Meldungen. Die genaue Anzahl lässt sich nicht ermitteln, weil die Vogel zum Teil mehrfach gemeldet worden sind und weil sie den Standort häufig ändern. OVH-Mitglied Salvatore Bologna gelang am 13. August eine ganz besondere Aufnahme. Bei Holle entdeckte er sieben Schwarzstörche. „Es waren viele Jungstörche darunter“, erklärt der Vogelfreund. Doch der Nachwuchs, da ist sich der OVH-Vorsitzende Alistair Hill ziemlich sicher, ist nicht im Landkreis Hildesheim geschlüpft. „Denn es gibt hier nur sehr wenige Jungvögel“, erklärt der Fachmann.
Dafür spreche auch eine Entde- ckung, die Bologna im dänischen Kolding gemacht hat. (Siehe Anmerkung AH).
Dort sah er einen beringten Schwarzstorch. Bolognas Recherche ergab, dass der Vogel in seinen ersten Lebenswochen in Tschechien markiert worden war. Wenn die Tiere sich erst einmal in die Lüfte schwingen können, legen sie enorme Strecken zurück. Wie etwa der Storch in Koldingen. „Die Entfernung zum Neststandort beträgt in dem Fall 400 Kilometer“, sagt Hill.
Es sei sogar wahrscheinlich, dass die Störche, die in Holle gesehen wurden, am nächsten Tag für Aufsehen am Borsumer Pass und später im Leinetal sorgten. (Siehe Anmerkung AH)
Doch Uli Zobel, seines Zeichens auch Jäger, meint, im April auch einen Schwarzstorch im Luttrumer Wald gesehen zu haben. Ob sich dort womöglich ein Paar zum Nestbau getroffen hat? Und wenn das so wäre, hätte das dann Auswirkungen auf die geplante Stromtrasse? „Die könnte dicht an Luttrum vorbei führen“, erklärt Ortsvorsteher Sven Wieduwilt. Ob tatsächlich geschützte Vögel in dem Gebiet leben, sollte überprüft werden. Und notfalls müsste die Trassenführung überdacht werden. Da sieht Holles Gemeindebürgermeister Klaus Huchthausen allerdings schwarz: „Das Vorkommen des Schwarzstorches steht an ganz prominenter Stelle unserer Einwände gegen die Trasse Wahle-Mecklar.“ Scheinbar hätten nachgewiesene Brutstätten der Tiere im Hainberg allerdings keine Relevanz, so der Verwaltungschef.
Die Vogelfreunde jedenfalls freuen sich über den Anblick des schwarzen Schreitvogels, der, wie auch Reiher und der Weißstorch, auf den vor Kurzem noch gefluteten Feldern nach Würmern, Kriechtieren und Insekten sucht. Und wenn er Glück hat, fängt er ab und zu eine Maus. Denn von den Nagern, so Vogelexperte Hill, gibt es in diesem nassen Sommer nicht all zu viele.
© Hildesheimer Allgemeine Zeitung
Anmerkung (AH)
Dieser Artikel wurde an mehreren Stellen korrigiert. Eine zitierte Aussage von Hill wurde gestrichen, weil Hill keine Verbindung zwischen den Meldungen aus Holle und dem NSG „Ruthe-Koldingen“ gemacht hat. Es wurde deutlich gemacht das es reihenweise Meldungen aus den Flussauen gegeben hat. Schwerpunkt sind die Überschwemmungsflächen in den Nette-, Innerste- und Leinetälern.
Weiter ist in dem Interview klargestellt worden, dass die Anzahl der vorliegenden Meldungen überhaupt nichts über die Anzahl der anwesenden Schwarzstörche aussagt. Die Anzahl der Individuen ist überhaupt nicht festzustellen, weil es erstens mehrfach Meldungen der gleichen Vögel an einem Standort gibt und zweitens die Vögel wechseln häufig den Standort. Selbst eine genaue Bewertung aller Meldungen wird keine Klarheit bringen.
Der beringte Jungvogel ist im NSG „Ruthe-Koldingen“ von Salvatore Bologna fotografiert worden. Mathias Risch hat die Herkunft des Vogels ermittelt, er wurde im Juni als Pullus in Tschechien beringt.