Kritiker und Naturschützer Alfred Kellner trifft den Fachbereichsleiter Tiefbau und Grün auf Einladung der HAZ, um über die Arbeiten im Park zu sprechen.
Von Andrea Hempen
Hildesheim. Geht die Stadt Hildesheim bei der Grünflächenpflege zu rigoros vor? Dieser Verdacht wird immer wieder laut, wenn größere Pflegearbeiten angekündigt werden. So meldete sich jüngst, als der Liebesgrund im Fokus stand, Alfred Kellner, Mitglied im Omithologi-schen Verein zu Hildesheim, mit einem Leserbrief zu Wort. Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung lud Kellner zu einem Treffen mit Fachbereichsleiter Tiefbau und Grün der Stadt Hildesheim, Heinz Habenicht, ein. Gemeinsam gingen die Männer durch den Liebesgrund.
„Kreist im Liebesgnmd bald die Kettensäge?”, titelte die Hildesheimer Allgemeine Zeitung am 15. September. Der Fachbereich Tiefbau und Grün habe vorgeschlagen, das sechs Hektar große Areal umfassend auf forsten zu lassen. Dafür müssten zahlreiche alte Bäume gefällt werden. Diese Meldung regte Alfred Kellner auf. Seine Meinung dazu schrieb er in einem Leserbrief nieder. „Aus Äußerungen von Herrn Habenicht weiß ich, dass die Stadt einen Park, wie er in den letzten Jahren am Godehardikamp geschaffen wurde, präferiert: leicht maschinell zu pflegende Rasenflächen mit großen Solitärbäumen”, formulierte Kellner. Wird Habenicht diese Vorwürfe entkräften?
Nach heftigen Regengüssen treffen sich die Männer am Freitag im Liebesgrund. Gleich am Eingang des Parks an der Kardinal-Bertram-Straße, bleibt Habenicht stehen, zeigt auf Schneebeeren. Diese nicht heimischen Pflanzen sollen beseitigt werden. Überhaupt dominierten im Liebesgrund nur noch vier Arten: Schneebeeren, Haselnüsse, Holunder und Brombeeren. Kellner erinnert daran, dass Amseln, Singdrosseln, Grasmücken Buschbrüter sind und so ein Dickicht zu schätzen wissen. Vögel hegen dem pensionierten Oberstudienrat besonders am Herzen. Er erzählt Habenicht, dass er der direkte Nachfolger des Vereinsgründers Paul Feindt im Amt des Vorsitzenden des Omitho-logischen Vereins war.
Der Liebesgrund steht unter Landschaftsschutz, wie Habenicht erklärt. Der Charakter der Anlage bleibe erhalten, aber besagte Büsche, hochgeschossene Bäumchen mit dünnen Stämmen müssten entfernt werden, um anderen Bäumen Platz zu geben. „Hier gibt es keine Artenvielfalt, weil der Park 30 Jahre lang sich selbst überlassen wurde *, sagt Habenicht. Er blickt in die Krone einer Esche, dort sind große Äste heraus gebrochen. Der Blick zu einem anderen Baum, der Fachmann sieht aufgerissene Rinde, ein Zeichen, dass der Baum nicht ganz gesund ist. Wie die Kastanie, die schon jetzt keine Blätter mehr hat oder die Robinie, den sich ein Buntspecht als Bruthöhle ausgesucht hat. „Bis vor acht Jahren standen drei Blutbuchen hier”, erinnert Habenicht, ein holzzersetzender Pilz griff Baum und Wurzeln an. Zwei Bäume mussten gefällt werden, der dritte steht unter städtischer Beobachtung. Genauso wie die, die schon große Äste verloren haben. Verkehrssicherheit ist oberstes Gebot. „ Im Wald gelten verringerte Sicherheitsbestimmungen “, sagt Kellner. Im Wald wäre ein Baum mit dem Spechtloch für den Förster tabu. Die Männer gehen an einer Baumruine ohne Krone, mit Efeu bewachsen, vorbei. „Totholz ist ja eine wertvolle Sache “, sagt Kellner. „Wenn es sicher ist”, entgegnet Habenicht. „Könnte man den nicht stehenlassen?”, fragt Kellner. „ Wenn er nicht so dicht an der Straße stünde, ja”, erwidert Habenicht. Weiter im Innern des Parks steht ein ähnlicher Stumpf. „Der kann als Lebensraum-Baum stehenbleiben”, erklärt der Fachbereichsleiter.
Gegen Ende des etwa einstündigen Gesprächs sagt Habenicht, dass er die Sorge Kellners vor einem Kahlschlag wie etwa am Godehardikamp verstehen könne. Doch im Liebesgrund wäre das schlicht rechtswidrig. Denn die Fläche ist Landschaftsschutzgebiet, der Godehardikamp, der alle zehn Jahre „auf Stock gesetzt” werde, sei eine allgemeine Grünanlage. Für die gelten andere Regeln. Der Liebesgrund indes soll sicher sein, heller werden, einzelnen Bäumen die Entwicklung ermöglichen und mehr Artenreichtum beherbergen. Er soll das bleiben, was er ist, sagt Habenicht: Eine idyllische Ecke der Stadt. Mit Handschlag verabschieden sich die Männer. „ Ein sehr aufschlussreiches Gespräch”, sagt Kellner. Und zu Habenicht: „Sie denken ganz anders als der Bürger, wenn Sie für die Sicherheit in Verantwortung genommen werden.”
Aus der HAZ vom 10.Okt. 2017 © Hildesheimer Allgemeine Zeitung