Private Forstbesitzer sauer über Eingriffe aus Brüssel und Hannover / Ärger mit Naturfans
Von Tarek Abu Ajamieh
Mehle/Kreis Hildesheim. Auf den ersten Blick geht es nur um ein paar Naturfreunde. Um einen Verband, dessen Mitglieder gern in einem Wald bei Mehle Fledermäuse zählen würden – was ihnen die Eigentümer des Forstes nicht erlauben wollen. Doch der Zoff ums Große Mausohr und andere Waldbewohner ist nur ein Nebenschauplatz eines viel größeren Konfliktes: Denn das betreffende Waldgebiet soll, wie viele andere im Landkreis auch, als Schutzgebiet ausgewiesen werden, um EU-Vorgaben zu erfüllen. Die Waldbesitzer betrachten das als „kalte Enteignung“.
Die Wurzel des Konfliktes liegt in Brüssel, und zwar im Jahr 2007 (siehe Extra-Text). Neben 17 anderen Gebieten im Landkreis soll auch der Wald am Limberg oberhalb von Mehle amtlich unter Schutz gestellt werden. 150 der insgesamt knapp 700 Hektar sind als Landschafts- oder Naturschutzgebiet vorgesehen. Mit Vorgaben, wie viel Totholz stehenbleiben muss und wie viel Holz geschlagen werden darf. Die Eigentümer sind mächtig sauer, wie Burghard Hoberg, der Vorsitzende der Forstgenossenschaft, erklärt: „Hier geht es um die Rechte von Waldbesitzern, um Einkommen und um die Frage, ob Sie Ihr Brennholz aus der Nachbarschaft bekommen oder irgendwoher importieren wollen”, schimpft er. Was das Ganze noch ärgerlicher mache: Die Quoten sollten auf jeden einzelnen Waldbesitzer herunter gebrochen werden.
Die Elzer wollen erreichen, dass die Vorgaben auf ihr gesamtes Gebiet bezogen werden, was intern den Ausgleich erleichtere. Betroffen sind allein bei Elze rund 120 Waldbesitzer. Mit finanziellen Hilfen dürfen sie nicht rechnen, weil sie sich – wenn schon – ein Landschafts- und kein Naturschutzgebiet wünschen. Im letzteren Fall gäbe es zwar Entschädigungen – allerdings hätte die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht, wenn einer der Waldeigentümer verkaufen will. „Das wollen wir nicht“, stellt Hoberg klar. Er fürchtet eine Weitergabe der Waldflächen an Naturschutzverbände und noch mehr Druck von deren Seite. Dabei hätten er und seine Mitstreiter nichts gegen Naturschutz, betont Hoberg: „Im Gegenteil – wir selbst sind die Naturschützer. Unser Wald ist ja nur zu so einem schützenswerten Gebiet geworden, weil wir ihn dazu haben werden lassen.“ Deshalb wollen die Elzer Waldbesitzer Mitglieder der „Ökologischen Station Mittleres Leinetal “nicht in ihren Wald lassen. Die Naturfreunde des Laatzener Vereins – Vorsitzende ist die frühere Regierungspräsidentin des Bezirks Hannover, Gertraude Kruse – wollen in dem Wald Fledermäuse zählen.
Sollen sie aber nicht, darin sind sich die Eigentümer einig, sagt Hoberg: „Den Wald darf jeder zur Erholung betreten. Aber wenn die da mit großen Netzen kommen und Fledermäuse fangen wollen, ist dafür uns weder Naturschutz noch Erholung. “Die Fledermäuse jagten ohnehin, wo sie Insekten finden, da muss keiner kommen und das analysieren“. Die über diese Haltung empörten Naturschützer haben nun ihrerseits die Medien angeschrieben und laden zu einer Exkursion in das umstrittene Waldgebiet ein, um ihre Arbeitsweise vorzustellen. Ob es noch zu einer Einigung kommt, scheint ungewiss. Auf der Prioritätenliste der Waldbesitzer stehen ohnehin grundsätzlichere Fragen viel weiter oben.
Die EU lässt den Landkreis nachsitzen
Im Jahr 2007 forderte die EU ihre Mitgliedsstaaten auf, FFH-Gebiete (FFH steht für „Flora-Fauna-Habitat“) auch nach nationalem Recht unter Schutz zu stellen und setzte eine Frist von sechs Jahren. Die niedersächsischen Landkreise gingen auf Anraten des damaligen Umweltministers Hans- Heinrich Sander (FDP) sehr zurückhaltend vor. 2013 folgte das Donnerwetter aus Brüssel: Bei nur zwei der 20 FFH Gebiete im Landkreis Hildesheim reichten die Schutzverordnungen des Landkreises, beim Rest müsse schnellstmöglich nachgebessert werden. Zu diesem Rest gehört auch der Limberg mit angrenzenden Waldstücken bei Mehle. Die 20 Schutzgebiete im Kreis reichen vom Haseder Busch bis zum Kammmolch-Biotop am Röderhof. abu
© Hildesheimer Allgemeine Zeitung 31,07.2018