Debatte um Windpark-Abstände
Aus der HAZ vom 7. Mai 2019
Rössing/Klein Escherde.Eigentlich sollte es gestern im Kreistags-Ausschuss für Bau und Kreisentwicklung gar keine Debatte über einen möglichen Windpark zwischen Rössing und Klein Escherde geben. Die gab es dann aber doch, und zwar ziemlich intensiv: Mehrere Anlieger und Mitglieder der Bürgerinitiative aus Rössing und Klein Escherde stellten kritische Fragen, auch mehrere Kreistagsabgeordnete zeigten wenig Verständnis für den Kurs der Kreisverwaltung. Auch eine neue Grundsatzdebatte über Mindestabstände zwischen Wohngebieten und Windrädern bahnt sich an.
Wie berichtet hatte die Kreisverwaltung erklärt, aufgrund neuer Erkenntnisse sei sie entgegen früherer Aussagen doch der Meinung, das Gebiet zwischen Rössing und Klein Escherde sei als sogenannte Vorrangfläche für Windkraft geeignet – eine Haltung, die auch die Gemeinde Nordstemmen teilt. Zugleich hatte die Kreisverwaltung aber darauf verwiesen, sie warte noch eine fachliche Stellungnahme des niedersächsischen Umweltministeriums ab. Vor diesem Hintergrund hatte die Kreistags-Mehrheit aus SPD und CDU die Entscheidung noch einmal vertagen wollen – im Juni soll aber in jedem Fall eine Entscheidung fallen.
Der erneute Kurswechsel empörte mehrere BI-Mitglieder, die die Einwohnerfragestunde zu Beginn der Sitzung nutzten, um ihrem Unmut Luft zu machen. So warfen sie der Kreisverwaltung vor, für ein erneutes Gutachten ausschließlich die Situation des Schwarzstorchs herauszugreifen – dabei könne doch das Hitzejahr 2018 nicht repräsentativ sein. Weitere Wortmeldungen betrafen die Frage, was eigentlich ein Experte gerade zur Bewertung der Vogel-Vorkommen in einem Gebiet ist. Der Landkreis selbst bewerte die Arbeit des Ornithologischen Vereins Hildesheim (OVH) seit Jahrzehnten als „verlässlich und essenziell für Entscheidungen“. Warum die langjährigen Erfahrungswerte des Vereins dann bei diesem Projekt weniger stark gewichtet würden als punktuelle Zählungen für Gutachten?
Auch aus der Politik gab es Kritik: Clemens Gerhardy (CDU) fand nicht nachvollziehbar, warum die Verwaltung in ihren Vorlagen für die Sitzung einerseits empfehle, die Vorrangfläche beizubehalten, und andererseits auf ein noch ausstehendes Gutachten des Landes verweise. „Das leuchtet mir nicht ein, das widerspricht sich doch“, monierte er. Die Erste Kreisrätin Evelin Wißmann bemühte sich um Klarstellung und räumte indirekt auch ein, dass es auch innerhalb der Kreisverwaltung unterschiedliche Auffassungen gebe: „Wir sind bisher nicht überzeugt, dass die Erkenntnisse reichen, das Gebiet nicht zur Vorrangfläche zu machen – wollen aber weitere Expertise einholen.“
„Ein Monat mehr wird nichts an den grundsätzlich unterschiedlichen Positionen zu dem Thema ändern“, meinte Bernd Fell (FDP) und votierte als einziger gegen eine Vertagung. Die Ausschuss-Vorsitzende Erika Hanenkamp (SPD) räumte ein, dass es auch innerhalb der Großen Koalition Meinungsverschiedenheiten zu dem Thema gebe: „Wir haben noch Diskussionsbedarf.“ Das sah auch Ekkehard Domning (Grüne) so, auch wenn er „nach aktuellem Stand“ zu einer Ablehnung tendiere.
Uwe Steinhäuser (Unabhängige) erneuerte die Forderung, den Mindestabstand zwischen Wohngebieten und Windparks von 750 auf 1000 Meter zu erhöhen: „Die Windräder werden ja auch immer höher.“ Justus Lüder (CDU) wollte wissen, was das praktisch bedeuten würde. Verwaltungs-Vertreter Reiner Poelmann betonte, schon jetzt stelle der Landkreis nur ein Viertel der Fläche für Windkraft zur Verfügung, die er nach den Vorgaben des Landes eigentlich sollte. „Bei 1000 Metern wäre es nur noch ein Achtel.“ Das wiederum hielt Steinhäuser für übertrieben – die Verwaltung soll das nun noch einmal genau ausrechnen und vorstellen.
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