Ohne feuchte Wiesen kann der Große Wiesenknopf nicht existieren / Damit ist auch ein seltener Schmetterling in großer Gefahr
Die Loki-Schmidt-Stiftung in Hamburg hat den Großen Wiesenknopf zur Blume des Jahres 2021 ernannt. Obwohl er über ganz Eurasien verbreitet ist, kennen ihn hierzulande nur versierte Pflanzenfreunde. Denn das Pflänzchen aus der Familie der Rosengewächse ist extrem selten geworden. Grund dafür ist die Zerstörung seines natürlichen Lebensraums.Sanguisorba officinalis, so der botanische Name, liebt extensiv genutzte Feucht- und Nasswiesen. „Und die sind bei uns so gut wie nicht mehr zu finden“, sagt Maren Burgdorf, die Botanik-Expertin des Ornithologischen Vereins (OVH). Die ausdauernde, krautige Pflanze wird je nach Standort 30 bis 120 Zentimeter hoch. Die unpaarig gefiederten Blätter mit drei bis sechs Fiederpaaren sind auf der Oberseite dunkelgrün, auf der Unterseite blaugrün. An den hoch aufragenden kahlen Stängeln bilden sich im Juli/August bis zu drei Zentimeter lange braunrote Blütenstände. Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass diese Köpfchen aus bis zu 40 Einzelblüten bestehen, die nacheinander von oben nach unten aufblühen.
Spannend und ungewöhnlich ist die enge Beziehung, die die Pflanze gleich mit zwei Tierarten eingegangen ist: mit dem Schmetterling Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) und mit der Roten Knotenameise (Myrmica rubra). „Das Bläulingsweibchen legt seine Eier in das Blütenköpfchen des Großen Wiesenknopfs“, sagt Maren Burgdorf. „Nach dem Schlüpfen ernähren sich die Raupen von den Fruchtknoten der Blüten und lassen sich später einfach zu Boden fallen.“
Angelockt von einem zuckerhaltigen Sekret, das die Raupen absondern, tragen die Ameisen diese nun in ihr Nest. Dort überwintern die Raupen und lassen sich bis zu ihrer Verpuppung im Frühjahr von den Ameisen füttern. Mehr noch: Sie fressen sogar deren Brut. Nach dem Schlüpfen aus der Puppe muss der Schmetterling dann allerdings schleunigst das Nest verlassen, denn nun wird er von Ameisen selbst als Beute betrachtet.
Früher war der Große Wiesenknopf entlang vieler Gräben und Bachläufe zu finden. Durch Begradigungen, Trockenlegungen und Verrohrungen der Gewässer hat nicht nur die Pflanze ihren Lebensraum verloren, sondern der Schmetterling auch seinen Eiablageplatz. So wird an diesem einen Beispiel deutlich, wie wichtig jede einzelne Art ist, um den Kreislauf des Lebens in Gang zu halten. Und welche Folgen es hat, wenn nur eine einzige Art in diesem natürlichen Miteinander verschwindet.
2004 entdeckten Botaniker noch ein Restvorkommen an einem Abzugsgraben bei der Bründelner Brücke über den Bruchgraben. „Aber das scheint erloschen zu sein“, befürchtet Burgdorf. Ein Versuch, den Wiesenknopf in einem Biotop am Borsumer Pass wieder anzusiedeln, schlug in den 1980er Jahren fehl. Inzwischen hat die Paul-Feindt-Stiftung am Bruchgraben aber umfangreiche Renaturierungen gemacht, so dass ein neuerlicher Versuch vielleicht von mehr Erfolg gekrönt sein könnte.
Denn gar nicht mal so weit entfernt, zwischen Oesselse und Bockmerholz, gibt es entlang der Ackergräben noch einen größeren Bestand. „Um den Großen Wiesenknopf und die beiden an diese Pflanze gebundenen Tierarten zu erhalten, wurde hier das FFH-Gebiet ’Wiesenknopfsäume bei Oesselse’ ausgewiesen“, so Burgdorf.
In den vergangenen 50 Jahren ist extensiv genutztes Grünland massiv zurückgegangen. Dabei zählt es zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Kulturlandschaft überhaupt. Feucht-und Nasswiesen bieten nicht nur dem Großen Wiesenknopf, sondern auch vielen anderen Tier-und Pflanzenarten eine Lebensgrundlage, so dem Schlangen-Knöterich und der Kohl-Kratzdistel, dem Kiebitz und anderen Wiesenvögeln, und nicht zuletzt selten gewordenen Schmetterlingsarten.
Wegen der schwierigen Bewirtschaftung und des geringen Ertrags wurde vielerorts die klassische Heugewinnung auf solchen Standorten aufgegeben. Stattdessen wurden viele der Wiesen trockengelegt, intensiv beweidet oder zu Äckern umgebrochen. Wo die Bewirtschaftung ganz aufgegeben wurde, traten Schilf, Hochstauden und Gehölze an die Stellen der bunten Wiesenblumen.
Mit der Benennung des Großen Wiesenknopfes zur Blume des Jahres will die Loki-Schmidt-Stiftung auf die Probleme der Intensivierung der Grünlandwirtschaft aufmerksam machen. Als Teil der Kulturlandschaft sind diese Lebensräume zwar weitgehend menschengemacht, über Jahrtausende aber haben sie sich zu einem festen, artenreichen Teil Mitteleuropas entwickelt.
Aus der HiAZ vom 19.01.2021 © Hildesheimer Allgemeine Zeitung