Wintergäste aus Südosteuropa

Aus der Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 11. Jan. 2022

von Marita Zimmerhof Veröffentlicht am: Aktualisiert:

Hildesheim – Sie waren fast schon ausgerottet, doch nun hat sich der Bestand der Silberreiher wieder erholt: Als Wintergäste machen einige gerade im Raum Hildesheim Station. Aber Achtung: Es gibt Doppelgänger.

Der Anblick von Graureihern, die im Winter langbeinig über die Felder stelzen und nach Futter Ausschau halten, ist in unserer Region längst vertraut. Doch seit einiger Zeit tauchen auf Äckern, Wiesen und an Uferrändern auch seine schneeweißen Verwandten auf: Silberreiher. Zu Beginn des Jahres haben die Vogelkundler des Ornithologischen Vereins zu Hildesheim (OVH) in Stadt und Kreis mehr als 30 Tiere gezählt.

Als Wintergäste hat es mehrere Silberreiher in den Raum Hildesheim gezogen. Doch im Frühjahr dürften sie wieder in ihre Brutgebiete zurückfliegen. Foto: Salvatore Bologna

Dabei waren die eleganten Vögel zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Brutgebieten Europas fast ausgerottet. Heute hat sich ihr Bestand wieder erholt: Als wahrer Kosmopolit lebt der Silberreiher außer in der Antarktis auf allen Kontinenten. In Mitteleuropa brütet er regelmäßig am Neusiedler See, seit 1992 sogar in den Niederlanden. In Norddeutschland ist er meist nur in den Wintermonaten zu beobachten: Sobald die Brutsaison beginnt, fliegen die Vögel wieder Richtung Südosteuropa.

Gelber Schnabel, schwarze Beine

Der bis zu einen Meter große Silberreiher ist wegen seines strahlend weißen Gefieders leicht vom Graureiher zu unterscheiden. Auffällig sind der gelbe Schnabel und die schwarzen Stelzenbeine. Seine Flügelspannweite kann bis zu 1,70 Meter betragen. Anders als alle andere Reiherarten seiner Gattungen Ardea trägt der Silberreiher am Hinterkopf keine Schmuckfedern. Stattdessen bildet er zur Brutzeit lange, lockere Schulterfedern aus, die er während der Balz radförmig spreizt.

Jagd auf Mäuse

Silber- und Graureiher sind Nahrungskonkurrenten: Beide Arten suchen allein, manchmal auch in kleinen Trupps nach Mäusen und anderem Kleingetier. Oft sieht man sie an Ufern von Flüssen und Teichen auf der Jagd nach Fischen und Amphibien.

„Gelegentlich kann man auch beide Arten zusammen bei der Nahrungssuche beobachten. Dies ist besonders dann der Fall, wenn es ein verstärktes Auftreten von Mäusen gibt, wenn etwa eine Wiese gemäht oder ein Acker bestellt wird“, sagt Petra Pahl, die Vorsitzende des OVH.

Neue Flugroute ausgespäht

Im Hildesheimer Raum taucht der Silberreiher überhaupt erst seit 20 Jahren regelmäßig auf. Bis dahin galt er hier als ausgesprochene Rarität. Die Ornithologen des OVH haben die Entwicklung genau dokumentiert: 2011 gab es 295 Beobachtungen, seither nehmen die Meldungen von Jahr zu Jahr zu und erreichten 2021 mit 1050 Meldungen einen Rekord.

„Es handelt sich um die stärkste Bestandszunahme aller Vogelarten in Europa“, sagt Pahl. Offenbar haben die Wintergäste ihre Flugrouten geändert und sich neue Überwinterungsgebiete in Mittel- und Westeuropa gesucht. Größere Gruppen werden etwa vom Niederrhein und von der deutsch-holländischen Grenze gemeldet.

Im Sommer Abflug gen Süden

In den Sommermonaten a

ber sind sie alle wieder weg. Denn zum Brüten brauchen sie alte Schilfbestände, um ihre bis zu einen Meter großen Nester in unzugänglichem Röhricht dicht an dicht auf der Erde zu errichten. Graureiher hingegen bauen ihre Nester in Baumwipfeln. Im April oder Mai legen die Weibchen drei bis fünf hellblaue Eier, 75 Prozent der Jungvögel überleben das erste Lebensjahr nicht.

In unserer Gegend brüten die Vögel nicht. 2012 sollen zwei Paare in Mecklenburg Nachwuchs aufgezogen haben. Doch ausgedehnte alte Schilfbestände sucht man hier ja auch vergeblich.

Doppelgänger aus dem Zoo

Um einen Silberreiher zu sehen, sollte man genau hinschauen, denn es gibt bei uns zwei weitere weißgefiederte Reiher. Seidenreiher sind aber nur halb so groß, und Kuhreiher, die eigentlich in Südeuropa und Nordwestafrika leben, haben gelbe Beine, einen gelben Schnabel und während der Brutzeit ein orange-braunes Kopfgefieder.

Wie die hierher kommen? Im Zoo Hannover gibt es eine freifliegende Kolonie dieser kleinen Reiher, die gelegentlich Ausflüge in den Nordkreis unternimmt. Der viel größere Weißstorch bevorzugt zwar den gleichen Lebensraum wie Reiher, allerdings hat er einen roten Schnabel, rote Beine und immer schwarzes Fluggefieder.

OVH bittet um Meldungen

Meldungen von größeren Ansammlungen der Silberreiher sind von für den OVH von Interesse und können an info@ovh-online.de gemeldet werden.

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