Paul-Feindt-Stiftung

Stiftung für Ornithologie, Tierarten- und Biotopschutz

Ackerwildkrautschutz im NSG Wernershöhe (LK Hildesheim) im Jahr 2020

von Bernd Galland unter Mitarbeit von
Dorit Fromhage, Maria Galland, Anne Hallerstede, Uta Striebl, Ursula Rumpf und Günter Grein

Die floristischen Kartierungen der Äcker im NSG HA 241 „Trockenlebensräume – Sieben Berge, Vorberge“, Teilgebiet Wernershöhe, wurden in der Zeit vom 27. April bis 5. August 2020 an insgesamt 12 Terminen vorgenommen. Neben den von Landwirt Wilhelm Bertram (Hof Luna, Everode) bewirtschafteten Pachtflächen der Stiftung wurden auch die östlich und westlich anschließenden Nachbarflächen in einer Breite von je ca. 150 bis 200 m auf RL-Arten hin untersucht. Die Ergebnisse sind in der Tabelle „Rote-Liste-Arten“ zusammengefasst.

Die Pachtflächen 2 und 3 wurden im Herbst 2019 mit Roggen bestellt, die Nachbarflächen 1 und 4 im Frühjahr 2020 mit Sommergerste und Hafer.

Während der Hauptwachstumszeit im April und Mai lagen die Niederschläge weit unter den langjährigen Mittelwerten, was sich vor allem auf das Sommergetreide auswirkte, das extrem spät und nicht mehr flächendeckend keimte.

Bodennutzung 2020 im MTB 3925/3

Alle Äcker werden nach dem Programm „Ackern ohne Ernte“ bewirtschaftet.

Pachtflächen der Stiftung: 2 und 3 = Roggen

Nachbarflächen 1 und 4 = Sommergerste und Hafer

2020 Rote-Liste-Arten

Rote-Liste-Arten im NSG Wernershöhe 2020

TK 25 Nr. 3925/3 9. (und 10.) Minutenfeld

Bestandsentwicklung

Höchstwerte 2012 bis 2020

Nr. der Probefläche RL 1 2 3 4 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Neslia paniculata 1 3 3 2 2 3 3
Stachys annua 3 2 7 7 7 6 3 3 6 6 3
Althaea hirsuta 2 1
Camelina microcarpa 1
Galium spurium 3 2 1 1 5 3
Legousia hybrida 4 6 8 2 7 8 8 8 6 2 7 8 8
Ranunculus arvensis 8 8 8 8 8 7 6 8 8 8 8
Scandix pecten-veneris 2 7 6 3 4 3 3 4 3 6 7
Valerianella rimosa 5 8 7 2 5 8 5 2 8 8
Ajuga genevensis* 3 (5) 6 4 3 3 5 5 2 1 (5)*
Anthemis arvensis 1 6 6 7 6 6 6 6 7 5 6
Centaurea cyanus 4 4 5 3 3 2 6 4 5 6 4
Consolida regalis 5 8 8 1 8 8 8 8 7 7 7 8 8
Fumaria vaillantii 3 8 6 3 4/7 6 3 6 3
Galeopsis angustifolia 3 8 8 7 7 6 7 8 6 3
Lithospermum arvense 1 1 5 1 1 7 4 7 6 3 2 4 5
Odontites vernus 8 7 8 8 8 8 7 8 8 8 8
Rhinanthus alectorolophus 7 5 3 6 5 6 7
Sherardia arvensis 7 2 6 4 5 2/3 6 3 6 6 7
Silene noctiflora 6 2 7 6 6 7 6 5 4 6 6
Valerianella dentata 2 8 8 1 8 8 8 8 8 8 8 8 8

*Ajuga genevensis außerhalb des Ackers am Rennstieg

Papaver dubium lecoqii G 3 2 3 4 3 7 2 2 3
Acinos arvensis V 3 1 4 2 1
Euphorbia exigua 5 7 2 8 8 6 7 7 7 3 7 7
Lathyrus tuberosus 3 5 5 5 2 2 6 6 6 6 5
Papaver argemone 7 8 6 6 5 6 5 6 5 7 8
Rhinanthus minor 5 3 3 1 5 6 3 5
Thlaspi perfoliatum 1 6 7 6 5 6 6 6 6 7 6
Anzahl Arten (29) 16 25 11 5 22 22 24 21 25 25 23 23 25

 

Kulturart
1 West und 4 Ost
(Nachbar)
Sommergetreide2 und 3 Bertram
Roggen
Erläuterung zur Roten Liste:
0 – ausgestorben oder verschollen
1 – vom Aussterben bedroht
2 – stark gefährdet
3 – gefährdet
G – Gefährdung anzunehmen
V – Vorwarnliste
 

Erläuterung der Mengenangaben:
Größenklasse       Anzahl Sprosse/Horste
1                          1
2                          2 – 5
3                          6 – 25
4                          26 – 50
5                          51 – 100
6                          > 100
7                          > 1.000
8                          > 10.000

Veränderungen zum Vorjahr
Die Anzahl der RL-Arten auf den Nachbarflächen 1 und 4 schwankt stark von Jahr zu Jahr: (Fläche 1: 2015 – 5 RL, 2016 – 6 RL, 2017 – 12 RL, 2018 – 8 RL, 2019 – 7 RL, 2020 – 16 RL)
Mit 16 Arten erreichte die Fläche 1 den höchsten Wert seit Beginn der Kontrollen im Jahr 2015, wobei die Individuenzahlen im Vergleich zu den Kernflächen 2 und 3 relativ niedrig blieben.
Dies gilt auch für die östliche Fläche 4.
(Fläche 4: 2015 – 2 RL, 2016 – 5 RL, 2017 – 11 RL, 2018 – 12 RL, 2019 – 1 RL, 2020 – 5 RL)
Hier konzentrierten sich die Bestände weitgehend im Grenzbereich zu Fläche 3.
Bemerkenswert ist die Zunahme von Ranunculus arvensis und Scandix pecten-veneris auf Fläche 3 östlich des Rennstiegs. Dabei blieb die Gesamtzahl der RL-Arten auf Fläche 3 in jedem Jahr niedriger als auf Fläche 2.
Wie schon seit Jahren erwies sich die Pachtfläche 2 westlich des Rennstiegs wieder als die arten- und individuenreichste Teilfläche aller untersuchten Äcker.
Über die Ursachen dieser unterschiedlichen Entwicklung soll hier nicht spekuliert werden. Sicherlich spielt die Nutzung – Nachbarflächen 1 und 4 Sommergetreide, Kernflächen 2 und 3 Wintergetreide – eine Rolle, ebenso auch die Wetterbedingungen.


Blick über Fläche 3 (Roggen) nach Osten. Im Mai bestimmen die üppigen Bestände von Bunias orientalis (Orientalisches Zackenschötchen) an den Wegrändern den Frühjahrsaspekt. Im Acker selbst erscheint Bunias nur vereinzelt. Nach Norden hin wird der Acker durch die Eschenallee begrenzt. Die ehemaligen Kopfbäume sind z.T. bereits abgestorben; der Restbestand ist durch das Eschentriebsterben bedroht.


Auf Fläche 3 bildet Legousia hybrida RL 2 (Kleiner Frauenspiegel) Anfang Mai
Bestände von > 10.000 Exemplaren.



Consolida regalis (Acker-Rittersporn) RL 3H bestimmt von Mitte Juni bis Anfang August mit weit
> 100.000 Ex. das Bild der Flächen 2 und 3.


Im Juni erscheint Sinapis arvensis (Ackersenf) auf Fläche 4 (Sommergetreide) z.T. flächendeckend. Lediglich am Rand neben Fläche 3 (im Vordergrund) sind einige Getreidepflanzen zu erkennen.


Auf der Grenze der Flächen 1 und 2 tritt seit 2018
Neslia paniculata RL 1 (Finkensame) in geringer Anzahl auf.


Für Stachys annua RL 1H (Einjähriger Ziest) war 2020 das bisher „schwächste Jahr“.


Galeopsis angustifolia RL 3H (Schmalblättriger Hohlzahn) blüht erst im Juli/August.bedeckt weite Teile der Fläche 2

 
Ranunculus arvensis RL 2H (Acker-Hahnenfuß) im Mai in Blüte,                                          im Juli fruchtend.

Öffentlichkeitsarbeit

Wegen der Einschränkungen infolge Corona konnten nur einer der geplanten Vorträge und ein Spaziergang mit begrenzter Teilnehmerzahl stattfinden.

Exkurs: Kalkscherbenäcker in der Sackmulde

Mit ihren Kalk-Buchenwäldern, Trockengebüschen, Kalkhalbtrockenrasen und Kalkäckern gehören die Sieben Berge mit Vorbergen und Sackwald (geologisch „Sackmulde“) zu den artenreichsten Gebieten Niedersachsens. Entsprechend bekannt und beliebt ist dieser in sich geschlossene Naturraum, der vom Plänerkalk der Oberkreide mit Kalkverwitterungsböden (Rendzina) geprägt wird, bei naturinteressierten Wanderern. Wie gut die Pflanzenvielfalt erforscht ist, zeigt der „Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nieder-sachsen und Bremen“ (Garve, E. 2007). Mit mehr als 600 Sippen je Messtischblattquadrant gehört die Sackmulde zu den Regionen mit der höchsten Phytodiversität in Niedersachsen.

Die Ackerbegleitflora trägt in beträchtlichem Maße zu dieser Artenvielfalt bei. Die Felder im NSG Wernershöhe dürften die am gründlichsten untersuchten Kalk-Scherbenäcker Niedersachsens sein. Dies ist Dr. Heinrich Hofmeister (1934 – 2014) zu verdanken, der die Pflanzengesellschaften dieser und weiterer Äcker in der Sackmulde erfasst und die Ergebnisse vielfach publiziert hat.

Für die in der Sackmulde arbeitenden Landwirte ist das Vorkommen von RL-Arten auf ihren Äckern hochinteressant, weil sie damit an div. Förderprogrammen teilnehmen können. Voraussetzung ist die Lage der Fläche in der ldw. „Förderkulisse“, die ihrerseits in bestimmten Gebieten der Naturschutzkulisse des Landes (dies trifft auf die Sackmulde zu) liegen muss, sowie der Nachweis von RL-Arten.

Das Luftbild zeigt, gelb gerahmt, die Äcker, welche z.Zt. die Bedingungen erfüllen und an den Förderprogrammen teilnehmen. Die Bodenverhältnisse im Inneren der Sackmulde und am östlichen Rand sind dieselben, so dass hier ebenfalls Äcker mit RL-Arten zu erwarten sind. Auf Bitten mehrerer Landwirte haben wir (M. und B. Galland) in den Jahren 2019 und 2020 rund 20 konventionell bewirtschaftete Äcker in den Gemarkungen Langenholzen, Sack, Adenstedt und Irmenseul qualitativ auf RL-Arten hin untersucht. Auf neun Flächen, in der Karte rot gerahmt, konnten wir jeweils eine oder mehrere RL-Arten nachweisen.


Silene noctiflora RL 3H (Acker-Lichtnelke), Mitte Juli noch in Blüte, Anfang August fruchtend, war die einzige RL-Art, die auf sämtlichen Flächen angetroffen wurde. Der größte Einzelbestand mit > 1000 Exemplaren fand sich auf einem Acker in der Gemarkung Irmenseul.

Für den Erhalt der Ackerwildkäuter sind die Förderprogramme und das Interesse der Landwirte zur Teilnahme sehr zu begrüßen. Eine Ausdehnung der geförderten Flächen über die relativ kleinen Bereiche auf Wernershöhe und dem Ortsberg hinaus wäre wünschens-wert. Es bleibt zu hoffen, dass die EU in der nächsten Förderperiode die dafür notwendigen Mittel bereitstellt.
Bei intensiver Suche dürften in den genannten Gemarkungen weitere Fundorte hinzu-kommen. Sehr interessant wäre zudem ein Vergleich der einzelnen Flächen untereinander.
Um nur einige offene Fragen, wie
– das unterschiedliche Artenspektrum auch nah beieinanderliegender Flächen
– das Vorkommen einiger Arten auf lediglich einem Acker
– die starken Populationsschwankungen einiger, nicht aller, Arten von Jahr zu Jahr
zu beantworten, wäre wohl eine größere Zahl an Kartierern notwendig. Um das gesamte Artenspektrum der Äcker zu erfassen, müssten zudem vom zeitigen Frühjahr bis in den Spätsommer hinein alle Äcker abgelaufen werden.

Die drei unten vorgestellten Arten stehen exemplarisch dafür.


Caucalis platycarpos RL 2H (Acker-Haftdolde) kommt nur auf einem Acker am Ortsberg vor, erscheintauf derselben Fläche dort aber alljährlich in sehr großer Anzahl.


Gagea villosa RL 3H (Acker-Gelbstern) erscheint auf derselben Fläche alljährlich im März/April mit 100 bis 300 Exemplaren.

Alyssum alyssoides
RL 2H, vor 10 Jahren hier ebenfalls sehr häufig, ist inzwischen nahezu verschwunden.


Kickxia elatine RL 2H (Spießblättriges Tännelkraut), sehr klein und unscheinbar, blüht erst im Juli/August und findet sich aktuell nur in geringer Anzahl auf einer Fläche am Südhang des Ortsberges.

© Paul-Feindt Stiftung, Ornithologischer Verein zu Hildesheim AG Botanik