Erste Station Derneburger Teiche: eines der artenreichsten Gebiete in ganz Deutschland

Aus der HAZ am 13.01.2023

Von Norbert Mierzowsky

Salvatore Bologna ist als Naturschützer auch begeisterter Fotograf, hier nimmt er einen Graureiher am Mariensee ins Visier, der auf der kleinen Insel rechts im Ansitz auf Beute lauert.Fotos: Norbert Mierzowsky/Salvatroe Bologna

Die Regierungen von 196 Staaten wollen gemeinsam die weitere Zerstörung von Ökosystemen beenden. Bis 2030 sollen jeweils 30 Prozent der Land- und der Meeresfläche des Planeten unter Schutz gestellt werden. Ein 563 Hektar großer Bereich liegt im mittleren Innerstetal, wozu auch die Derneburger Teiche gehören.

Warum es hier eine große Chance gibt, die Artenvielfalt zu schützen, weiß Bologna schon seit Jahrzehnten. Am Sonntag, 15. Januar, will er das vor Ort mit einem Entdeckertermin einem Publikum erläutern. Er hofft, dass auch Familien mit Kindern kommen. „Sie baden vor allem die Folgen aus, wenn die Natur immer mehr Tierarten verliert.“

OVH-Mitglieder haben 204 Vogelarten hier registriert

Rund um das Derneburger Schloss und den Lavespfad haben die OVH-Mitglieder bereits 204 See- und Wasservogelarten registriert, die hier brüten oder einen Abstecher aus ihren Brutgebieten machen, um Nahrung zu suchen. „In ganz Niedersachsen gibt es insgesamt 212 Arten“, sagt Bologna quasi nebenbei und zählt dann eine Reihe Hildesheimer Vogelgäste und -bewohner auf: Tafelenten, Schwarzhalstaucher, Nilgänse, Wasseramseln, Graureiher oder Eisvögel. Er hat dazu eine Mappe mit eigenen Fotos vorbereitet, die er am Sonntag zeigen wird. Denn eines ist schon klar: Obwohl der OVH hier am Große-Pferdewiesen-Teich einen eigenen Beobachtungsstand hat – die Vögel nehmen Reißaus, sobald sie sich gestört fühlen.

„Wenn man Geduld hat und sich hier still verhält, dann kommen sie“, sagt Bologna und deutet auf einen kleinen Ast, der dem Eisvogel als beliebter Ansitz dient. „Er lässt sich von hier sehr gut fotografieren.“

Seit zwei Jahren ist er Rentner, er hat 37 Jahre für Bosch gearbeitet und hat lange Zeit wegen der Arbeit und der Familie eine OVH-Pause eingelegt. Doch mittlerweile ist er häufig an den Teichen unterwegs, um zu registrieren, welche Vogelarten sich dort aufhalten und: welche hier brüten.

Dass die Derneburger Teiche so ein wertvolles Habitat sind, betont er nicht eigens. Weil es ihm als Fachmann einfach klar ist. Er trommelt damit nicht, was ja die Aufmerksamkeit erhöhen würde für das Anliegen des Naturschutzes. Er verhält sich eher ruhig – eben wie ein guter Beobachter. Aber vielleicht ist es doch besser, mehr Werbung zu machen? Bologna schaut auf die Wasseroberfläche: „Wir haben ja eine Jugendgruppe.“ Aber das Tempo, wie sich Natur verändert, sei eben sehr hoch: „Allein im letzten Jahr finden wir immer weniger Singvögel in der Region, da kann man Futterstationen noch und nöcher aufhängen, die werden einfach nicht leergefressen.“

Gleichwohl hat er mit seinen Mitstreitern ein Konzept entwickelt, wie man sanft weitere Brutgebiete für Seevögel rund um die Derneburger Teiche einrichten kann. „Darüber sprechen wir auch mit dem Landkreis“, sagt er. Seit 2007 hat die Paul-Feindt-Stiftung als Naturschutzeinrichtung als Eigentümerin die meisten Teiche übernommen. Darunter auch Gebäude am Laves-Pfad wie das Mühlenhaus oder ein kleines Bootshäuschen.

Dorthin geht es jetzt. Bologna holt seine Fotoausrüstung aus einem Wagen und stapft los. „Wir haben Brutmöglichkeiten für den Eisvogel geschaffen“, erzählt er, „die lieben Steilwände in der sie ihre Nistlöcher graben“. Eisvögel sind Schachtelbrüter, ein Gelege folgt aufs andere, während das Weibchen noch brütet, buddelt der Partner bereits eine neue Nesthöhle.

Bäume werden mit Draht vor Biber-Fraß geschützt

Auch die Wasseramsel bekommt hier ein Zuhause. „Sie braucht immer Wasser unter den Füßen, damit die Nester nicht entdeckt werden, kann so der Vogelkot wegschwimmen.“ Spuren verwischen wie in einem Krimi. Kurz vor der Lavesbrücke hält er inne und zeigt ans Ufer: „Der Biber ist wieder aktiv.“ OVH-Mitglieder sind dabei, größere Bäume mit Drahtgeflechten vor dem Fraß zu schützen. Ehrenamtlich. Mit Naturschutz kann man kein Geld verdienen.

Am Mariensee sieht er mit geschultem Blick eine Brautente – ganz weit hinten. Er fotografiert sie, so dass man sie als Begleiter in ihrer ganzen Schönheit bewundern kann. „Hier haben früher oft Mittelsäger gebrütet, doch die haben ihre Brutgebiete aufgegeben.“ Oder verloren. „Mittelsäger sind eine Schlüsselart für Derneburg, die brüten eigentlich im Ostseebereich“, erzählt Bologna. In jeder seiner Geschichten berichtet er von den arttypischen Verhaltensweisen, ab wann Jungvögel alleine zurechtkommen, wie sich Tierarten weiter verbreiten – oder eben nicht mehr.

Die Entfernung von Montreal zu den Derneburger Teichen beträgt etwa 5700 Kilometer. Geografisch. Thematisch gibt es zu dem, was dort beschlossen wurde, keinen Abstand. Auch deswegen hofft Bologna darauf, dass sich immer mehr Menschen, vor allem junge, für den Artenschutz interessieren. In Derneburg kann man das lernen. Hautnah.

© Hildesheimer Allgemeine Zeitung