Der Ornithologische Verein zu Hildesheim steht dem Landkreis bei der Suche nach Flächen für Windenergie mit Daten für Vogelvorkommen zur Seite.
von Andrea Hempen
HAZ 23. Sept. 2025
Alistair Hill, Ina Gravenkamp und Richard Huster (von links) erklären am Weinberg, weshalb sich die Fläche aus Sicht von Vogelschützern nicht als Standort für Windkraftanlagen eignet. Foto: Clemens Heidrich
Kreis Hildesheim – Als ob er ahnt, dass es um seinen Lebens- und Brutraum ginge, zieht ein Rotmilan seine Kreise am Weinberg. Dort, am Rande des Waldes mit Blick in den Ambergau, stehen Alistair Hill, Richard Huster und Ina Gravenkamp vom Ornithologischen Verein zu Hildesheim (OVH) und erklären, warum diese Fläche, die vor ihnen liegt, nicht wie vom Landkreis Hildesheim vorgesehen für Windkraftanlagen geeignet ist. Nämlich weil dort Rotmilane leben und brüten.
Gabelweihe zieht ihre Kreise.
Alistair Hill folgt mit den Augen dem Rotmilan. „Unglaublich, wie er seine Kreise zieht. Ohne einen Flügelschlag gleitet er dahin, steuert nur ganz sacht mit seinen Schwanzfedern“, schwärmt der engagierte Vogelschützer. Zum Entwurf des Teilprogramms Windenergie im Landkreis Hildesheim hat der OVH eine Stellungnahme erarbeitet. „Für 13 Teilflächen haben wir Änderungsvorschläge gemacht“, erklärt Richard Huster, Vorsitzender des Vorstands der Paul-Feindt-Stiftung und OVH-Vorstandsmitglied. An 19 ausgewählten Bereichen hatten die Fachleute nichts auszusetzen, gegen eine haben sie sich allerdings klar ausgesprochen. „Die hier geht gar nicht“, sagt Huster am Waldrand des Weinberges und Hill erklärt, warum sie diese Meinung vertreten.
Hinter sich der Wald, im Blick die weite Landschaft – idealer Lebensraum für den Rotmilan.
Ihrer Begründung liegen Daten von zwölf Jahren zugrunde. In den Jahren haben die Vogelschützer mit der Unterstützung von Einwohnerinnen und Einwohnern, die fleißig Rotmilan-Sichtungen meldeten, Zahlen zusammengetragen. Insgesamt sind 120 Reviere erfasst und in einer Hotspot-Karte eingezeichnet worden. Dabei unterteilten die Experten die Bereiche nach gesicherten Brutrevieren und Revieren ohne Brutstätten, wo diese Raubvögel aber gesichert anzutreffen sind. Rotmilane, auch Gabelweihen genannt, benötigen als Lebensraum eine vielfältige Fläche, die sich aus bewaldeten Gebieten, offener Landschaft wie auch Äckern zusammensetzt. So wie im Bereich des Weinberges.
Keine Rotmilane bei Bockenem
Hill schaut in Richtung Bockenem. Dort stehen die Windräder, aber die Rotoren bewegen sich nicht. „Wir haben wohl gerade genug grünen Strom“, sagt er. Bockenem sei frei von Rotmilanen. „Deshalb haben wir damals gesagt, der Windpark dort ist okay“, erinnert sich Hill. 2023 sei der Landkreis auf den Verein zugekommen, und habe um weitere Informationen und Einschätzungen zum Thema gebeten. „Manches OVH-Mitglied wird sicher sagen: Warum habt ihr da nicht mehr verlangt“, vermutet Hill. Aber die Naturschützer wollen mit Kompromissbereitschaft etwas erreichen und nur „Nein“ zu Bereichen sagen, die ihrer Einschätzung nach eindeutig kein Standort für Windkraft sind.
Die Ornithologen haben Kartenmaterial erstellt, auf dem die Vogelvorkommen eingezeichnet sind. Hier die Meldungen zum Rotmilan.
Selbst wenn es Software für Windanlagen gibt, die Rotmilane erkennen und daraufhin die Rotoren abschalten kann. An der Stelle am Weinberg würde das wohl kaum etwas bringen, zu schnell wäre der Raubvogel in unmittelbarer Nähe der Rotorblätter. „Zu gefährlich“, sagt Hill.
Empfehlungen abgegeben
Zu anderen Flächen für das Teilprogramm Windkraft gaben die Experten ebenfalls mit Blick auf Vogelvorkommen Empfehlungen ab. Es geht etwa um die Vergrößerung von Abständen wie bei dem Planungsgebiet Algermissen West. Da dort regelmäßig Baumfalken auf Strommasten brüten, müssen die Abstände zu den Masten vergrößert werden. Für den Planungsbereich Bahnhof Bettmar sollte die östliche Teilfläche komplett entfallen, weil dort Kiebize brüten und Mornellregenpfeifer rasten. Baumfalken-Nachweise gibt es auch im Bereich des geplanten Windparks Ilse zwischen Hildesheim und Schellerten. Sollte auf der Fläche tatsächlich der Windpark gebaut werden, so müssten Ausgleichsflächen geschaffen werden, meint der OVH. Außerdem, so der Verein, dürften die Rotorblätter grundsätzlich nicht in Waldgebiete hineinragen.
Bisher, so Hill, habe der Kreis viele Hinweise der Vogelschützer in ihren Planungen aufgenommen. Dennoch wünsche er sich ein persönliches Gespräch, das bisher aber noch nicht stattgefunden habe. Die Stellungnahme des OVH ist nicht die einzige zu dem Thema. Insgesamt gaben 120 Organisationen wie der BUND oder das Landvolk ihre Erklärungen ab. Nach dem Niedersächsischen Gesetz zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes muss der Landkreis seine Planflächen bis zum Stichtag 21. Dezember 2027 vorlegen.
Am Ende des Ortstermins ziehen zwei Rotmilane ihre Kreise über dem Gebiet und die Vogelkundler machen auch noch einen Turmfalken aus.
© Hildesheimer Allgemeine Zeitung